Review: APC Antonio Pinto de Carvalho SS 103 Soprano

Begonnen von Claudilele, 22. Okt 2017, 12:45:13

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Claudilele

Ein kleines Review der kürzlich bei mir eingetrudelten APC Antonio Pinto de Carvalho SS 103 Sopran Ukulele

Nachdem ich mit meinen Kala Soprano Longnecks (KA SSLNG und  und KA SLNG) ja nun eigentlich (theoretisch) schon restlos glücklich war / bin, suchte ich noch nach einer Soprano mit Standard-Mensur und richtig guter Intonation, vor allen Dingen für die klassische Musik.

Beim großen A lachte mich eine APC SS 103 an, die günstig zu haben war. Meine Erfahrungen mit APC waren bis dato gemischt: Während ich mit einer APC Konzert in Akazie mal sehr zufrieden war und lediglich mit dem Halsprofil nicht so gut zurechtkam, war eine kürzlich bestellte Soprano Akazie nach zehn Minuten direkt wieder in die Schachtel und zurück zum Anbieter gewandert, weil sie auf zwei Saiten schnarrte, insgesamt zu viele Verarbeitungsmängel (samt kleinem Deckenriss) aufwies und klanglich unter meinen Laminat-Sopranos lag.

"Neues Spiel, neues Glück", dachte ich mir, und bestellte vor ein paar Tagen die SS 103 (mit dem Hintergedanken, dass man sie zur Not ja wieder zurückschicken kann).



Was soll ich sagen? Sie gefällt mir persönlich sehr gut.

Optik und Ausstattung


Zargen und der leicht gewölbte Boden sind aus massiver Akazie mit einer hübschen Maserung gefertigt, die Decke besteht aus massiver Fichte und African Blackwood und ist mit aufwändigen Bindings / Inlays versehen. Ungewöhnlich ist das dreigeteilte Schallloch, das dem "Gesicht" eines Stachelrochens nachempfunden ist. Bis auf den Steg und das überlappende Griffbrett ist diese Ukulele fast baugleich mit einigen Cavaquinhos aus der APC-Schmiede.



Insgesamt wirkt das Instrument sehr robust, was nicht nur der recht dicken Decke (ca. 2,5 mm), sondern auch seinem - für eine Soprano - stattlichen Gewicht, der dicken Kopfplatte (1,5 cm) und einer üppigen Mechanik geschuldet ist.
Es geht mir hiermit in etwa so wie mit einer Brüko: Obwohl massiv, vermittelt die Uke das Gefühl, auch einen Outdoor-Trip schadlos zu überstehen.



Die verbauten offenen Mechaniken schauen in ihrer durchgängigen klassischen Form zwar sehr hübsch aus, mach(t)en das ohnehin schon ziemlich gewichtige Instrument jedoch zusätzlich sehr kopflastig und mussten demnach als erstes (nachdem sicher war, dass ich die Kleine behalten will) direkten Mechaniken weichen. Damit ist sie nun angenehm ausgewogen und liegt gut in der Hand.

Der Sattel ist wurde nicht ganz sauber verbaut (zwischen Auflagefläche und Holz ist zur Kopfplatte hin eine kleine Lücke - vielleicht ändere ich das noch), sitzt aber fest, wurde an den Ecken gut abgerundet und besteht aus Knochen. Anders als beim Sattel hat man dem Steg nur eine Einlage aus Plastik gegönnt.

Hier noch die Original-Mechaniken:


Zur Orientierung gibt es am fünften, siebten, zehnten und zwölften Bund und seitlich des 17-bündigen Griffbrettes weiße Dot-Inlays.


Verarbeitung und Haptik

Die Verarbeitung ist (für diesen Preis) sehr ordentlich, die wenigen vorhandenen (wirklich kleinen) Ungleichmäßigkeiten geben der Kleinen eher einen gewissen Charme, als dass sie stören würden und unterstreichen das "Handgemachte".
Ecken und Kanten wurden sehr schön rund geschliffen, die Ränder der Bundstäbchen sind vorbildhaft glatt und kratzen nicht.

Die Mattlackierung ist so dünn, dass sich die Ukulele wie frisch bearbeitetes, glatt geschliffenes Holz anfühlt und auch so riecht - es ist keinerlei Chemiegeruch wahrnehmbar. Sehr angenehm!

Aufgrund des ungewöhnlich geformten Schallloches und der Brücke, bei der die Saiten durch die Decke gehen, unter der sie mit einem Knoten fixiert werden, ist folgendes zu beachten:


Wie der Saitenwechsel NICHT funktioniert, bzw. was dabei KEINESFALLS geht:

1. Vorher schon dringend auf`s Klo zu müssen und den Wechsel vorher noch schnell erledigen zu wollen
2. Erwarten, dass man in fünf Minuten damit fertig ist
3. Mehrere Saitensets an einem Vormittag ausprobieren zu wollen




Wie der Saitenwechsel funktioniert:

1. Mindestens einen Tag vom Resturlaub nehmen (man weiß ja ansonsten eh nicht, was man mit den freien Tagen anfangen soll)
2. Eine Tasse Tee und ein paar Schnittchen oder alternativ zehn Tafeln Schokolade bereitstellen
3. Dicke Häkelnadel zur Hand haben, mit der sich die Saiten durch das Schallloch angeln lassen
4. Wahlweise Lavendel-Dragees oder Valium in greifbarer Nähe haben
5. Alle Leute in mindestens einen Kilometer Entfernung schicken, die nicht mitbekommen sollen, wie man zum Gremlin mutiert
5. Alles außer Reichweite stellen, was sich zum Zerdeppern eignet
7. Tief durchatmen und sich dem Feind stellen




Klang und Spielbarkeit

Trotz flacher Saitenlage schnarrt bei hartem Anschlag nichts, die Intonation ist sowohl in den ersten Bünden als auch in den hohen Lagen makellos.
Wie auch die Konzert-Ukulele ist die Soprano mit dem Modern Flat Oval Halsprofil ausgestattet, allerdings stört mich dieses beim dünneren Sopranohals überhaupt nicht und trägt eher dazu bei, dass sich der Daumen besonders bei Barreegriffen gut einsetzen lässt und ansonsten problemlos im Spiel mitwandert.

Werkseitig kam die Ukulele mit sehr labberigen Saiten, die optisch an Aquila Bio-Nylons erinnerten und der dicken Decke nicht gewachsen schienen. Die von mir aufgezogenen Worth Brown Medium Saiten ließen die Decke letztendlich schwingen und das Instrument entwickelte einen sehr eigenen, schönen Klang mit eher wenigen Tiefen, aber sehr krispen Höhen und ausgewogenen Mitten, bei dem ich das Gefühl habe, dass er er sich im Laufe der Zeit noch deutlich verbessern wird. Was die Ukulele ganz eindeutig hat, ist der vielgepriesene "Punch", der sie beim Strumming sehr perkussiv klingen lässt.
Beim Fingerpicking zahlt sich die gute Intonation aus. Hier hoffe ich allerdings, dass die Uke mit der Zeit noch etwas mehr "aus sich heraus kommt".
Letztendlich dürften vermutlich Martin M600 Fluorocarbon-Saiten das Optimum aus der SS 103 herauskitzeln, da ich die aber erst wieder bestellen muss, tun es die Worh-Strings bis dahin auch.

Die APC SS 103 ist weder besonders leise noch besonders laut und lässt sich somit eigentlich fast überall einsetzen.









Old Boy

Danke @Claudilele, für deinen wunderbar zu lesenden Bericht!

Wenn ich mir die Fotos so ansehe, insbesondere die vom Schallloch (endlich mal was mit 3 hintereinander folgenden Konsonanten), so muß ich sofort "zurück grinsen".

Ein äußerst positives Erscheinungsbild, da kommt bereits gute Laune auf, noch ehe man die Hübsche vom Haken nimmt.
Und überhaupt, mal gänzlich ab vom allgemein Üblichen!

Das wäre echt noch was für unseren Eingangsbereich; da wäre jedem Besuch gleich klar, welche Stimmung bei uns üblicherweise herrscht! 
:) ALOHA :)
Bei mir hängen mehr Ukulelen am Haken, als ich Akkorde fehlerfrei beherrsche ... soeben ist schon wieder eine dazu gekommen!
Ich arbeite aber eifrig daran, das Verhältnis umzukehren ... und das nicht nur durch den Verkauf von Instrumenten ;)

LokeLani

Das ist vom Aussehen her ein  traditionelles protugiesisches Cavaquinho  https://www.youtube.com/watch?v=5yiseMI_sks
Antonio P. Cabalho stattet sie nun offenbar mit Ukulelensteg aus -  Schön! :)

Claudilele

Zitat von: LokeLani am 22. Okt 2017, 16:40:22
Das ist vom Aussehen her ein  traditionelles protugiesisches Cavaquinho  https://www.youtube.com/watch?v=5yiseMI_sks
Antonio P. Cabalho stattet sie nun offenbar mit Ukulelensteg aus -  Schön! :)

Ja, steht ja auch im Review.  ;) Ist halt mal etwas anderes als das runde Schallloch und sprach mich (obwohl ich auch runde Schalllöcher gerne mag) auch irgendwie gleich an.  :)

Claudilele

Zitat von: Old Boy am 22. Okt 2017, 15:47:05
Danke @Claudilele, für deinen wunderbar zu lesenden Bericht!

Wenn ich mir die Fotos so ansehe, insbesondere die vom Schallloch (endlich mal was mit 3 hintereinander folgenden Konsonanten), so muß ich sofort "zurück grinsen".

Ein äußerst positives Erscheinungsbild, da kommt bereits gute Laune auf, noch ehe man die Hübsche vom Haken nimmt.
Und überhaupt, mal gänzlich ab vom allgemein Üblichen!

Das wäre echt noch was für unseren Eingangsbereich; da wäre jedem Besuch gleich klar, welche Stimmung bei uns üblicherweise herrscht! 
:) ALOHA :)

;D Danke!  :) Ja, als Begrüßungsutensil eignet sich die Kleine im Zweifelsfall sicherlich auch!  :D

Bebopalula

Schöner gut lesbarer und informativer Testbericht, Claudilele! :)

Fehlt eigentlich jetzt nur noch ein Audio-Beispiel...
___________________________________________
https://www.youtube.com/user/BebopalulaUke/videos

Claudilele

Zitat von: Bebopalula am 22. Okt 2017, 18:02:02
Schöner gut lesbarer und informativer Testbericht, Claudilele! :)

Fehlt eigentlich jetzt nur noch ein Audio-Beispiel...

Dankeschön  :), ja, sobald die Martin-Saiten drauf sind, gibt es auch mal ein Klangbeispiel. Ich wollte mich eh mal ransetzen und ein paar Aufnahmen mit meinen Ukulelen machen, habe nur diesbezüglich gerade noch die Schieberitis!  ;)

Uku-Lela

Mich erinnert das Schallloch ja eher an eine Brezel.  ;D
Und Ich mag Brezeln   ;)

Ukelix

#8
Danke fürs Berichten über das hübsche Ukaquinho! :)

Wenn das Häkelnadelgefutzel zu sehr nervt, kann man den Steg alternativ auch als normalen Knotensteg Knüpfsteg verwenden und die vier Löchlein gepflegt ignorieren.. hab ich bei meiner APC damals auch so gemacht. ;)

[edit: Knüpfsteg]
mag: Brüko, Cheapo, Outlaw Country, Punkrock, (Anti-)Folk. Velvet Underground, Grateful Dead, Misfits, Jeff Lewis, Hank Williams I-III.
Käptn Offline bei Youtube

ukemouse

@ Claudilele

Hihi, ich würde bei dem Schalloch auch nicht die Saiten durch die Decke ziehen. Bei meiner Bariton konnte man die Saiten  auch ganz normal wie bei Kala & Co befestigen (komm grad nicht auf den richtigen Begriff, menno. Also nicht mit Knoten wie bei Brüko. .........so früh morgens hat mein Hirn Ladehemmung, du weißt sicher eh schon was ich meine)

Ukelix

Zitat von: ukemouse am 25. Okt 2017, 06:25:45
@ Claudilele

Hihi, ich würde bei dem Schalloch auch nicht die Saiten durch die Decke ziehen. Bei meiner Bariton konnte man die Saiten  auch ganz normal wie bei Kala & Co befestigen (komm grad nicht auf den richtigen Begriff, menno. Also nicht mit Knoten wie bei Brüko. .........so früh morgens hat mein Hirn Ladehemmung, du weißt sicher eh schon was ich meine)

Knüpfsteg!  8)
mag: Brüko, Cheapo, Outlaw Country, Punkrock, (Anti-)Folk. Velvet Underground, Grateful Dead, Misfits, Jeff Lewis, Hank Williams I-III.
Käptn Offline bei Youtube

Claudilele

Jo, ich musste auch erst mal überlegen, wie der Steg heißt. Und kam natürlich nicht drauf!  :D Das Problem ist, dass ich bei so einer Saitenwechsel-Herausforderung echten Ehrgeiz entwickle (das soll so, dann hat das gefälligst auch zu klappen!  ;) ::) ), den ich mir von mir selber mal beim Üben wünschen würde!  :D

Hummel

Die kleine Grinselele ist wirklich hübsch und Fotos und Beschreibung geben einen guten Eindruck!

Hummel

Nachgedanke - wie machen die das bei APC? Hunderte von diesen Uken in allen Größen und die Cavaquinhos. Ein spontaner blöder Gedanke- die machen die Decke samt Brücke zuerst fertig, fädeln ganz bequem die Saiten durch, leimen die Decke auf und düdeln  dann die Saiten oben in die Mechaniken.
Welche klingen aus deiner Sicht generell besser? Die Normalos oder die Ukaquinhos?

Claudilele

Zitat von: Hummel am 12. Nov 2017, 17:39:57
Nachgedanke - wie machen die das bei APC? Hunderte von diesen Uken in allen Größen und die Cavaquinhos. Ein spontaner blöder Gedanke- die machen die Decke samt Brücke zuerst fertig, fädeln ganz bequem die Saiten durch, leimen die Decke auf und düdeln  dann die Saiten oben in die Mechaniken.
Welche klingen aus deiner Sicht generell besser? Die Normalos oder die Ukaquinhos?

Meinst Du mit dem Klang jetzt das Instrument selber? Da kann ich eigentlich nur zu sagenm, dass sie ebenso anders oder gleich wie jede andere Ukulele auch klingt. ;-) Der Klang ist durch die Kunststoff-Saiten der einer Ukulele. Ich habe ein "echtes" Cavaquinho, allerdings mit einem runden Schalloch, das klingt deutlich anders durch die Stahlsaiten.
Es gibt auf YouTube ein Review von einem Instrumentenhändler, der diese Ukulele neben dem fast baugleichen Cavaquinho anspielt, da wird das auch noch mal deutlich.
Den Klang der Saiten betreffend gefallen mir auf dieser APC die Martin Fluorocarbon am besten.
Nichts desto trotz werde ich die Gute demnächst wieder verkaufen, denn ich greife irgendwie nur noch nach den Longnecks und so hängt sie hier ziemlich verlassen am Haken - trotz gutem Klang und hübschem Aussehen.  :(