"Happy birthday to you" -- interessante Wende im Streit um das Urheberrecht

Begonnen von Juttalele, 29. Jul 2015, 18:09:43

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Frolicks

Oh, sehr interessant. Da bin ich ja sehr gespannt, was letztlich dabei raus kommt...

Würde mich allerdings auch nicht übermäßig überraschen, wenn jetzt Warner doch noch ganz plötzlich irgendwo ein Dokument auftreibt, das ihnen das Recht zugesteht (auf welcher idiotischen Grundlage auch immer), noch die nächsten Jahrzehnte Geld für ein Lied zu kassieren, dass wohl locker an die hundert Jahre alt ist.
Aber die Hoffnung stirbt zuletzt...
I plink, therefore I am.

UkeDude

Mich würde es ja doch sehr überraschen wenn Warner da Millionen zurückzahlen müsste bzw würde.

Ich halte es so, das es so viele schöne Geburtstagsständchen gibt, da muss man nicht das ausgenudelte Happy Birthday singen. :D

Juttalele

Ich mochte das Lied eigentlich nie, aber es scheint oft das erste (und einzige) Geburtstagslied zu sein, das den Leuten spontan einfällt. So wie "Alle meine Entchen" beim Stichwort Kinderlied.

Ist für mich eher eine Art Tusch wie "Hoch soll er/sie leben". Umso alberner dieses Gehangel um die Urheberrechte.

gerald

Ich finde das außerordentlich spannend, egal wie das am Ende ausgeht.

Praktisch dürfte sich diese Wende für die meisten von uns nicht wirklich relevant auswirken. In Deutschland laufen
die Rechte sowieso im Jahr 2016 aus und ich glaube nicht, dass diese Wende vorher abschließend geklärt wird.

Aber bereits vor dieser "interessanten Wende" zeigt die Situation um dieses Lied, dass die Verwertungsindustrie
den Sinn des Urheberrechts bei Musik sowohl für Fachleute als auch für uns Laien ad Adsurdum führt.
Auch für Fachleute ist das nicht ganz leicht nachzuvollziehen, wie die Aufbereitung von Prof. Dr. Thomas Hoeren von
der Universität Münster in Form einer Geburtstagsansprache (PDF) zeigt.

Nur einmal so ein paar Wendungen aufgelistet:

  • Zwei Schwestern entwickeln das Lied im Rahmen ihrer Arbeit in einem Kindergarten.
  • Eine dritte Person dichtet ohne Einverständnis der Urheber das Lied zum Geburtstagslied um.
  • Die Umdichtung wird sehr bekannt und sehr erfolgreich.
  • Daraufhin wird die Urheberschaft geklärt, das bekannte Lied basiert letztlich auf einem Plagiat.
  • Das Lied wird international quasi als Allgemeingut behandelt, viele wissen gar nicht, dass es noch urhaberrechtlich geschützt ist.
  • Ein großer Musikkonzern kauft die Rechte an dem Lied 1989, 96 Jahre nach der ersten Veröffentlichung.

Und bei all den Betrachtungen fehlt beispielsweise der deutsche Text...

Leider gibt es zudem in Deutschland dieses fragwürdige Konstrukt der GEMA-Vermutung.
Diese fragwürdige Vermutung geht bei öffentlicher Musikdarbeitung ziemlich weit; letztlich stehen da ziemlich viel Vermutungen
dahinter.
Grundsätzlich geht die GEMA davon aus, dass bei einer öffentlichen Aufführung von Musik Werke von von der GEMA vertretenen
Künstlern aufgeführt werden. Aktuell wäre das bei "Happy Birthday" aufgrund des Urheberrechts der Fall.
Wird das Lied jedoch gemeinfrei, geht die GEMA-Vermutung noch zwei Schritte weiter. Bei der Aufführung von gemeinfreien
Stücken geht die GEMA davon aus, dass

  • ein von der GEMA vertretener Künstler das Stück bearbeitet hat
  • die Bearbeitung die Schöpfungshöhe erreicht, dass für diese urheberrechtsfähig ist
  • die Aufführung auf einer solchen Bearbeitung basiert
Fragwürdig ist GEMA-Vermutung, weil die GEMA die oben genannten Vermutungen nicht nachweisen muss.
D.h. selbst wenn "Happy Birthday" gemeinfrei wird, bietet die GEMA-Vermutung der GEMA immer noch eine Hintertür, um doch
erst einmal Urheberrechtsabgaben zu kassieren...
... für ein Lied, welches nach dem Willen der Urheber für die Allgemeinheit sein sollte.

Also für mich zeigt jede einzelne Wendung in Bezug auf die Ausnutzung des Urheberrechts von diesem Lied, dass es in diesem
Bereich doch eine ziemliche Schieflage gibt und einiges neu geregelt werden müsste.

Und das schon bei einem kleinen Geburtstagsständchen, das als unschuldiges Kinderlied geschrieben wurde...

Juttalele

Zitat von: gerald am 10. Aug 2015, 20:49:31
Also für mich zeigt jede einzelne Wendung in Bezug auf die Ausnutzung des Urheberrechts von diesem Lied, dass es in diesem
Bereich doch eine ziemliche Schieflage gibt und einiges neu geregelt werden müsste.

Und das schon bei einem kleinen Geburtstagsständchen, das als unschuldiges Kinderlied geschrieben wurde...

Diese Geschichte ist nicht nur schief, sondern -- zumindest für mich -- nicht wirklich nachzuvollziehen. Wobei ich das jetzt auch nicht so intensiv "studiert" habe und weniger kompetent bin wie du auf mich wirkst in solchen Angelegenheiten.

Hier und da ist es einfach nützlich für das eigene Gemüt, sich doof zu stellen, wenn man sich nicht verknoten lassen will. ;)

Frolicks

I plink, therefore I am.


Tuke

Obacht:
"In Deutschland ist das Lied ab dem kommenden Jahr rechtefrei,
da das Verwertungsrecht 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt
und Patty Hill 1946 starb."

Also: Bis Jahresende nur gaaanz leise singen... 8)
"Die Normalität ist eine gepflasterte Straße: Sie ist bequem zu gehen, aber auf ihr wachsen keine Blumen." - Vincent van Gogh

Seitenkiller

Zitat von: gerald am 10. Aug 2015, 20:49:31
Fragwürdig ist GEMA-Vermutung, weil die GEMA die oben genannten Vermutungen nicht nachweisen muss.

Und das sind Methoden der Mafia & Co.

Überhaupt verstehe ich nicht, wieso irgend ein Gekritzel z.B. besoffen auf einem Bierdeckel geschmiert zeitlebens und darüber hinaus noch 70 Jahre nach dem Tod des "Künstlers" geschützt ist, Patente dagegen, die oft viele Jahre Entwicklungsarbeit hinter sich haben und nicht selten mehrere Millionen € oder noch mehr gekostet haben, bereits nach 20 Jahren ihren Schutz verlieren.

Wo bleibt da Art. 3 GG? Art. 4 der europ. Menschenrechtskommission?

Meiner Meinung nach müßten auch "künstlerische" Werke nach 20 Jahren ihren Vervielfältigungs-/Aufführungsschutz verlieren.

Angenehmer Nebeneffekt: Der Abmahnmafia würde der Geldhahn zugedreht.


Gerade das Beispiel "Happy Birthday" zeigt, wie abartig und pervers das Urheberrechtsgesetz in Wirklichkeit ist. Von der GEMA ganz zu schweigen....

torstenohneh

ZitatVon der GEMA ganz zu schweigen....
Ja, die GEMA braucht Konkurrenz.
Daher unterstütze ich die C3S https://www.c3s.cc
Sie soll als alternative zur GEMA etabliert werden. Man muss nicht unbedingt Mitglied werden sondern kann auch passiv (als Geldgeber) mitwirken.
Das Projekt läuft seit ca. 1 1/2 Jahren.

LG
Torsten
Verfechter der tiefen G-Saite und bekennender Ukulelenpolygamist

Spottdrossel

Zitat von: Frolicks am 23. Sep 2015, 12:19:53
Nüchtern betrachtet muss man wohl sagen: Das war lange überfällig.

Das stimmt! hehe

Alles Gute! hehe

Spottdrossel

gerald

Zitat von: Tuke am 23. Sep 2015, 17:03:02
Obacht:
"In Deutschland ist das Lied ab dem kommenden Jahr rechtefrei,
da das Verwertungsrecht 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt
und Patty Hill 1946 starb."

Also: Bis Jahresende nur gaaanz leise singen... 8)
... wobei eben bis Jahreswechsel nicht ausreicht, sondern Du musst schon den 25. Mai
abwarten, erst dann ist Patty Hill 70 Jahre verstorben.
Und ab dann ist die Melodie rechtefrei, aber Du musst noch aufpassen, ob das für
den Text, den Du singst, auch gilt.
Wobei der bekannte englische Geburtstagstext ja auch das hauptsächliche Problem darstellt,
die Melodie wollten die Hill-Schwestern als Begrüssungslied für Kindergärten sowieso der
Allgemeinheit zur Verfügung stellen.

Und wenn Du es dann in Deutschland singst, kommt eben noch die GEMA-Vermutung ins
Spiel. Du kennst das Lied ja gar nicht im Original von den Hill-Schwestern, sondern nur
in der Interpretation von jemandem, der bzw. die von der GEMA vertreten wird.
Ich würde Dir unterstellen, dass Du die Version von Marilyn Monroe kennst und Dich daran
orientierst. Diese Unterstellung ist Quatsch? Ja, ist sie, aber die GEMA darf Dir unterstellen,
dass Du das Lied von einem von der GEMA vertretenen Interpreten abgeschaut hast, ohne
den Interpreten zu benennen und das ist letztlich noch größerer Quatsch...

Also nüchtern betrachtet bedeutet der aktuelle Stand, dass ein Gericht in den USA
aufwändig festgestellt hat, dass ein Lied gemeinfrei ist, kurz bevor es aufgrund der entsprechenden
Fristen sowieso gemeinfrei geworden wäre, dass aber vermutlich in vielen Ländern die
Rechteverwerter dennoch Hintertüren haben, weiterhin zu kassieren, obwohl die Urheber
bereits lange verstorben sind, zu ihren Lebzeiten das Werk aber der Allgemeinheit kostenlos
zur Verfügung stellen wollten.

uhol

Ich habe einfach mal angefragt:

"Happy Birthday" ist ab 2017 im Original frei.

Das Deutsche "Zum Geburtstag viel Glück" von Egon Frauenberger ist erst ab 2080 frei und müsste daher genehmigt werden.

Gruß
Uwe
Und wenn Du denkst Du brauchst nix mehr, kommt irgendwo ´ne Brüko her...

Pazukulele

Zitat von: gerald am 29. Dez 2015, 01:39:19
... wobei eben bis Jahreswechsel nicht ausreicht, sondern Du musst schon den 25. Mai
abwarten, erst dann ist Patty Hill 70 Jahre verstorben.
Leider nein. Das Urheberrecht erlischt immer erst am 1.1. des darauffolgenden Jahres. Also 1946 + 70 = 2016; bis 31.12.2016 ist das Lied noch geschützt, ab 1.1.2017 ist es frei.
The LORD was ready to save me: therefore we will sing my songs to the stringed instruments all the days of our life in the house of the LORD. (Isaiah 38:20)