Gut klingende Räume

Begonnen von wwelti, 03. Jan 2016, 22:20:42

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wwelti

Ich bin gerade an einer etwas spezielleren Sache am herumgrübeln.

Und zwar geht mir seit längerem durch den Kopf, daß der "Raumklang" manchmal einen wichtigen Anteil am Klang haben kann. Gerade bei Renaissance-Musik stelle ich mir vor, daß sie im richtigen Raum gespielt (z.B. ein geeigneter Bogengang o.ä.?) sich erst richtig entfaltet.

Nun gibt es bei mir in der Umgebung (Raum Frankfurt - Darmstadt - Mannheim - Heidelberg) durchaus einiges an alten Gemäuern die in Frage kommen könnten, ich werde also wohl versuchen, da ein bisschen mit Ukulele und Audio-Recorder herumzuprobieren.  :D

Gute Tipps zu dem Thema wären mir freilich sehr willkommen. Vielleicht kennt ja jemand eine gutklingende Räumlichkeit, die für Aufnahmen geeignet sein könnte?

Viele Grüße
  Wilfried

HEiDi

In der Gegend kenne ich nichts Bestimmtes, aber viele Kirchen haben eine gute Akustik.
Manchmal sogar neuere Gemäuer. ;)
HEiDi mit MAjA, UkuLily & wir_holen_den_cup

Augustine

In Hamburg klingen einige U-Bahnhöfe bzw. deren Vorhallen ganz toll. Für Aufnahmen müsste man sich halt eine Uhrzeit suchen, in der kein Betrieb ist. Also bei uns machen die Bahnen unter der Woche in der Nacht einige Stunden Pause und die Bahnhöfe sind glaub ich nicht nicht alle abgeschlossen.  Vielleicht gibt es sowas oder etwas ähnliches in Deiner Nähe auch?

Der Tipp mit den Kirchen ist natürlich auch sehr gut. Die lassen auch bestimmt mit sich reden für sowas Schönes wie Renaissance-Musik.

UkeDude

Wilfried, schon den herman dazu angesprochen? Ich könnte mir vorstellen, das gerade Er dazu was sagen kann.

wwelti

Mit den Kirchen habt ihr sicher recht, da werde ich mal ein wenig herumprobieren müssen. Es gibt ja ein paar kleinere in der Umgebung, die geeignet sein könnten. Es werden ja auch gelegentlich Konzerte in solchen Kirchen gegeben. Da lässt sich vielleicht etwas machen.

Die Bahnhöfe hier in der Umgebung sind "moderne" Bauten, und klanglich m.E. alle ungeeignet. Außerdem werden sie nachts abgeschlossen. Und solange sie nicht abgeschlossen sind, ist immer irgend ein Trubel. Außerdem ist das Spielen von Instrumenten da erstmal grundsätzlich verboten.

Hier im Odenwald gibt es viele alte Burgen. Klanglich sind einige sicher interessant. Einziges Problem: Wenn's nicht gerade Sommer ist, sind die Gemäuer doch recht kalt... Aber naja, wenn man sich das Klima in letzter Zeit anschaut, erledigt sich dieses Problem wohl immer öfter...

Ja, stimmt, Herman könnte etwas dazu wissen. Ich werde ihn mal fragen.

Danke für die Tipps und Ideen :)

Viele Grüße
  Wilfried

Andreas Fischer

Schon an Badezimmer und Hausflur gedacht?
Andreas Fischer
"Niveau ist keine Creme"

wwelti

Ja, klingt aber "grottig".  ;D

Im Ernst, ich finde das gar nicht so einfach, und überraschend, wie unterschiedlich Räume klingen können.

Viele Grüße
  Wilfried

jazzjaponique

na Taj Mahal ist nicht übel  ;D

Bebopalula

Hallo Wilfried,
das Hauptproblem scheint mir zu sein, dass es keine absoluten Eigenschaften gibt, die einem Raum für ,,gute" oder ,,schlechte" Akustik zugesprochen werden können und es deshalb unbedingt auf den Verwendungszweck ankommt. Weder der ,,beste" Konzertsaal der Welt noch die ,,beste" Sprechbühne oder der einfache Übungsraum in einer Musikschule würden Gewissheit dafür geben, dass eine Solo-Ukulelen-Renaissancemusik-Aufnahme dort besser als anderswo gelingt. Andererseits kann es durch einfache raumakustische Veränderungen (Mobiliar, Vorhänge etc.) in kleineren und mittleren Räumen oft überraschend gut gelingen, ein besseres, meist aber auch nur subjektiv als besser empfundenes Klangerlebnis zu erzeugen. Mein Fazit: die Suche kann mit ein bisschen Glück schon in der unmittelbaren Umgebung, in Schulen, Kirchen, Gemeindehäusern, Odenwälder Burgen(?) etc. erfolgreich sein. Viel Erfolg!
___________________________________________
https://www.youtube.com/user/BebopalulaUke/videos

wwelti

Hallo Bebopalula,

im Prinzip gebe ich Dir völlig recht.

Aber hier geht es um etwas "Besonderes"... Ich habe das Gefühl, daß Renaissance-Musik mit solchen Zupfinstrumenten im besonderen Maße davon profitiert, wenn es eine etwas stärkere "Interaktion" mit dem Raum gibt.

In einem Raum mit vielen Möbeln drin: Is nicht, zu gedämpft.
In einem nackten Betonraum: Hallt zwar, aber hallt hässlich. Das kanns nicht sein. Dito für Badezimmer.

Was ich mal irgendwo gehört hatte (leider schon lange her)... da wurde in einer Art Bogengang Musik gemacht. Das hörte sich total gut an. Man kann das schlecht beschreiben, es war nicht einfach nur hallig, sondern es war als wäre der "Raum" Teil des "Instrumentes" (wobei das schlecht erklärt ist, denn es wurde auch gesungen). Der Klang war dabei kein bisschen verwaschen, sondern im Gegenteil ganz besonders klar und deutlich. Ich weiß auch nicht wie die das hinbekommen hatten...

Ich werde natürlich ein bisschen herumsuchen und probieren, einige der Odenwälder Burgen hab' ich tatsächlich auch schon auf dem Kieker. In der Burg Lindenfels gibt es z.B. einen kleinen, öffentlich zugänglichen "Raum", der eigentlich recht unscheinbar wirkt, aber einen ausgeprägten Raumklang hat.

Viele Grüße
  Wilfried

allesUkeoderwas

Meine persönliche Erfahrung, basierend auf Spiel mit E-Bass, Saxophon und E-Gitarre:

Das beste Ergebnis erzielt man im gut gedämpften Raum, am besten im Studio.
Sonderwünsche wie grottig, röhrig, etc. erledigt der Ton-Ing mittels Elektronik.

Wie kompliziert "live" Konzerttaufnahmen sind, merkt man bei jedem Auftritt auf's Neue beim Soundcheck.
Alles was hier bereits vorgeschlagen wurde, klingt im Idealfall akzeptabel. meist klingt es jedoch bescheiden.
Leere Räume ohne Dämmfleisch, Teppich und schwere Vorhänge klingen im Idealfall wie Bahnhofshalle, meist kommen aber noch negative Effekte durch Resonanz und Hall hinzu, die eine Aufnahme u.U. sogar unbrauchbar machen. Hört sich dann alles wie Klangbrei an. Speziell bei tiefen Frequenzen gibt es aufschaukelnde Resonanzfrequenzen - Hat vermutlich jedes Kind durch Brummen im Keller schon mal probiert.

Aufnahmen in der Kirche klingen je nach Mic. Standort auch noch völlig unterschiedlich.
Kirche sollte ursprünglich rein akustisch auch nicht schön klingen, es sollte in Zeiten ohne Strom die Predigt bis in die letzte Bankreihe hörbar machen.
Das was man mit eigenen Ohren als gar mächtig, gewaltig vernimmt (Orgel, Sax, Cello...), klingt bei einer normalen Aufnahme u.U. total breiig.
Interessant stell ich mir solche Aufnahmen aber mit Kunstkopf vor...
Hier ein Beispiel: https://www.youtube.com/watch?v=lhwmDzoL1lU (Funzt nur mit Kopfhörern)
Zumal der Dummyhead grad sein 40jähriges Jubiläum feiert.

Bei einer Ukulele vom Solisten gespielt ist das vermutlich alles nicht ganz so dramatisch.
Stellt sich auch die Frage, wie es denn eigentlich klingen soll...

Ist ja nunmal Geschmackssache...
Ich persönlich verbinde Renaissance und Mittelalter mit unbeheizter, großer Halle.
Sauf- und Freßgelage...
Der einsame Barde spielt mühsam gegen den lärmenden Adel, der bezahlt und sich vergnügt, an.
Im Prinzip, wie heutzutage beim Kneipengig.  :D

Bin mal auf Deine Praxiserkenntnisse gespannt.
Viel Spaß beim Experimentieren!

Gruß, Jogi



Ukulelen: Nur Schrott

wwelti

Hallo Jogi,

nichts für ungut, aber wenn ich Dein Tonbeispiel anhöre, verstehe ich einiges besser.  ;)

Meine Beobachtung ist halt, daß ich mit Hall-Algorithmen nicht zu dem Klang komme, den ich gerne hätte. Bzw. bis jetzt hab ich das nicht hinbekommen. Reale Räume klingen einfach echter. Auch wenn mir völlig klar ist, daß man das theoretisch per Algorithmus hinbekommen können sollte. Der Haken ist nur -- mir gelingt das nicht.

Das Problem, daß moderne Räume oftmals schlecht klingen, ist mir allzu bekannt. Das ist das, was Du mit den leeren Räumen beschreibst. Ja, leere Wohnräume in modernen Häusern klingen grauenvoll. Und leere Hallen sind oft noch schlimmer.

Interessanter wird es, sobald Räume nicht mehr so genau rechteckig gebaut wurden. Da gibt es z.B. ältere Häuser, wo einiges krumm und schief ist. Die hören sich gleich ganz anders an.

Kirchen klingen z.T. extrem unterschiedlich, in der Regel jedoch für meine Zwecke zu hallig. Das wird besser wenn genug Leute drin sitzen, nur dummerweise machen diese dann einiges an Störgeräuschen...

Den armen, einsamen Barden der gegen den lärmenden Adel anspielen musste, gab es sicher, aber man darf ja etwas wählerisch sein bei seinen klanglichen Idealvorstellungen... ;) Aber alte Burggemäuer sind klanglich definitiv interessanter als moderne Betonbauten, die Unterschiede sind gewaltig.

Das Experimentieren wird wohl tatsächlich ganz lustig werden ;)

Viele Grüße
  Wilfried


silbenklempner

Ich hatte noch nicht zu oft die Gelegenheit dazu, aber auffallend gute Akustik habe ich in mittelgroßen Räumen mit viel verbautem Holz angetroffen. Holzfußboden und - vielleicht noch besser - Holzdecke und/oder -vertäfelungen. Leuchtet eigentlich ein, dass man da ein anderes Resonanzverhalten erhält als bei Beton- oder Putzwänden. Nicht umsonst ist z. B. der Zedernsaal des Fuggerschlosses Kirchheim https://de.wikipedia.org/wiki/Fuggerschloss_Kirchheim/Schwaben für seine Akustik berühmt. Manche Seminar-/Tagungshäuser weltlicher und kirchlicher Organisationen sind mit viel Holz gebaut - da gibt es bestimmt Möglichkeiten.

UliS

#13
Hallo Wilfried,

da Thema Raum, Hall und Musik ist ein weites Feld!  8)
Da spielen Physik, Akustik, Erfahrung und Geschmack jeweils große Rollen.

Die Wikipedia-Artikel zu Nachhall und Faltungshall reißen ein paar Themen an,
bleiben aber an der Oberfläche und sind praktisch wenig verwertbar.

Von Bebopalula ist schon richtig bemerkt worden, dass es den "besten" Raum
nicht gibt, es kommt drauf an, was musikalisch passiert.
Und was man eigentlich will: Konzert geben oder Tonaufnahme machen.

Wenn ich mal Herrn Sengpiel zitieren darf:
"Merke: Die Ohrsignale beim natürlichen Hören sind niemals die gleichen Ohrsignale wie das beim Stereo-
hören über Lautsprecher geschieht. Diesen Satz kann man nicht oft genug wiederholen."

Nun muss man beim Konzert nehmen, was vor Ort da ist. Manchmal kann
man noch ein wenig bei der Akustik nachhelfen, oft aber leider auch nicht.
Das ist immer ein wenig Lotteriespiel.

Bei der Aufnahme gibt es mehr Möglichkeiten, man kann z.B.
einen akustisch optimierten Aufnahmeraum bauen (teuer!!),
einen akustisch optimierten Aufnahmeraum mieten (nicht ganz so teuer) oder
dem Raum künstlich auf die Sprünge helfen (auch nicht umsonst).

Für letzteres gibt es Multieffektgeräte, preiswerte Hallgeräte und Hall- und Raumplugins
für Recordingsoftware.
Damit kann man prima Effekte für Pop- und Rockproduktionen erzeugen
- wir Älteren erinnern uns an den "Gated Reverb" auf den Snares der 80 und 90 Jahre -
was aber fast alle gemeinsam haben: Einen gescheiten Raum bekommt man
damit nicht hin, es klingt meist unnatürlich und oft scheußlich.

Wenns gut klingen soll, muss man leider tiefer in die Tasche greifen.
Ein Lexicon 480L ist auch als 15 Jahre altes Gebrauchtgerät immer noch
teuer und ein Quantec Raumsimulator ebenfalls nicht billig.
Aber damit geht's dann.
Gerätebesitz oder Zugang ist das eine, das Ding bedienen können das zweite.
(Auch wenn die Presets schon gute Ergebnisse liefern)

Hör Dir mal die Beispiele auf der Quantec Seite an:
http://www.quantec.com/index.php?id=sound_clips&L=1
Hier speziell Beispiel 16, die Gitarre mit Carolan.

Letztendlich bleibt die Frage, wo Du eigentlich hin willst?

wwelti

#14
Danke für eure Beiträge!

Silbenklempner: Ja, so etwas in der Art könnte ich mir sehr gut vorstellen. Es gibt bei uns in der Region übrigens auch viele alte Holzhäuser, zwar kleiner als der Zedernsaal, aber durchaus auch angenehm im Raumklang. Da werde ich wohl etwas herumprobieren.

UliS: Das ist schon wahr -- ich weiß nicht 100%ig wo ich hinwill. Aber ich finde meine gegenwärtige Tontechnik verbesserungsbedürftig. Meine Erfahrung ist, daß echter Raumklang -- selbst eines eher mittelmäßig klingenden Raumes -- direkt per Stereo-Mikrofon aufgenommen für mich irgendwie natürlicher klingt als digitale Algorithmen, egal was ich da probiere. Mag schon sein daß es daran liegt, daß ich diese nicht "richtig" bediene... gute Tipps sind immer willkommen... aber ich kann mir irgendwie auch nicht vorstellen daß es nur daran liegt. Es ist halt doch ein Unterschied, ob man etwas aufnimmt, digitalisiert, und dann in einen virtuellen Raumsimulator schickt, oder ob man direkt den Raumklang aufnimmt.

Herr Sengspiel hat sicher recht mit seiner Aussage, aber ich muß mich daran orientieren, wie ich die für mich am besten klingenden Ergebnisse erzielen kann.

Was das Klangbeispiel der Gitarre mit o'Carolan angeht -- da muß ich ganz ehrlich sagen, daß mir die unverhallten ersten 15 Sekunden ganz klar am besten gefallen. Natürlich klingt dieses Instrument völlig anders als eine Ukulele (ist aber schön gespielt).

Ah... jetzt fällt mir etwas ein... als Beispiel, was ich als klangliches Vorbild sehe (auch wenn es etwas hinkt, da ich ja instrumental spiele):

https://www.youtube.com/watch?v=4pwfNap4DFM

Da gefällt mir jedenfalls der Raumklang gut.

Kleine "Preisfrage": Wer findet die Ukulele?  8)

(Mir ist natürlich klar, daß das wohl kein "natürlicher Raumklang" ist...)

Viele Grüße
  Wilfried