Bauplan

Begonnen von flummi, 17. Jun 2011, 18:12:48

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema. (6 Antworten, 3.085 Aufrufe)

flummi

Liebe Leute,
mit Interesse lese ich eure Bastelberichte, weil ich gern eine Ukulele bauen möchte. Ich bin zwar Kontrabassistin, aber warum nicht klein anfangen (es wird mein erstes selbstgebautes Instrument).
Eure Fotos haben mir schon richtig viele Infos gegeben, ich bin wirklich froh über die ganzen Dokumentationen hier.

Was mir im Moment noch am meisten Kopfzerbrechen macht, sind die genauen Maße. Ich wünsche mir irgendeine Vorlage, nach der ich mir Schablonen für die einzelnen Teile basteln kann.
Das Instrument soll etwas größer werden als zb die kleine Sopranino Bärbel:-) vielleicht eine Concerto.
Wie hoch müssen da die Zargen sein?

faltukulele

Na dann erst mal herzlich willkommen im Forum - das nenne ich einen klasse Einstieg!

Vom Kontrabaß zur Ukulele - da wirst Du Dich selbst bei einer Konzertmensur ein bißchen umstellen müssen ;) .
Baupläne sind rar. Die Profis geben sie eh nicht gern her, und die Selberbauer haben ihre Zeichnungen meistens nicht mit der CAD gezeichnet - Ausnahmen bestätigen die Regel.
Trotzdem erwarten die meisten von ihren Mitstreitern immerhin einen gewissen Sportgeist, daß Dir jemand seine Pläne direkt zuschickt, würde ich nicht direkt erwarten.
Wenn der Plan nicht die 1:1 Kopie eines vorhandenen Instrumentes ist, gibt es ja über das tatsächliche Urheberrecht hinaus auch noch ein \"gefühltes\".

Auf der anderen Seite sind seit Nunes Zeiten schon so viele Ukulelen gebaut worden, daß es sicher schwierig wird, sich was ganz neues auszudenken, wenn Du gleichzeitig auf bewährte Größenverhältnisse und Bauprinzipien zurückgreifen willst. Die 1:1 Kopie eines bewährten Modelles ist also für den Anfang keine schlechte Idee.

Wegen ihrer allgemein geschätzten Klangeigenschaften (und nicht zuletzt wegen der ungeheuren produzierten Stückzahlen) ist die Martin Soprano hierfür das geignete Objekt der Begierde.
Den Plan dafür findest Du praktischerweise im Netz, wenn nicht, kann ich ihn Dir auch (als jpg in immerhin brauchbarer Qualität) schicken. Für eine Concerto kannst Du ihn Dir getrost hochvergrößern - den dicken Hintern haben erst die Tenormensuren.

Nach dem Vermessen von fast 40 Instrumenten (ein paar habe ich selbst, die meisten Maße habe ich von denen, die ich gelegentlich repariere) wage ich zu behaupten, daß es auf ein paar mm nicht ankommt (außer natürlich bei der Mensur etc., wo die Ukulele ungleich anspruchsvoller ist als eine Gitarre). Die Proportionen sind im Gitarrenbau - anders als bei der Geigenfamilie - immer noch im Experimentierstadium. Die Form darfst Du Dir als weitgehend ungestraft aussuchen. Keine Experimente würde ich bei der Anordnung der Querbalken empfehlen - wenn die an der falschen Stelle sitzen, bekommst Du unplanmäßige Resonanzen. Das Instrument bevorzugt bestimmte Frequenzen oder gibt andere schlecht wieder (dead spots) - solche gibt es schon mehr als genug.

Wenn Du Dir über Deine handwerklichen Fähigkeiten (Versuch macht kluch) und die räumlichen und finanziellen Grenzen Deiner \"Werkstatteinrichtung\" klar wirst (wie eng kannst Du den Radius der Zarge in der Taille biegen? Kannst Du Dir die Zwingen leisten - oder bauen - die Du zum nachträglichen Aufleimen des Steges brauchst, oder mußt Du ihn vorher aufleimen? Kannst Du den Hals an den Oberbug anpassen, oder sollte die Zarge in diesem Bereich lieber gerade sein?), entwickelt sich die erste Ukulele fast von allein.

Um die in den anderen Tröts angeschnittenen Fragen jedenfalls anzusprechen: Für die Deckenschablone hat sich 2 mm Alublech bewährt, die Form schneidest Du Dir aus Multiplex (schwieriger ist das Schleifen), und für das Einpressen der Bünde brauchst Du erst eine Vorrichtung, wenn Du so fit bist, daß Du die 210 Euronen in Arbeitszeit einsparen kannst. Die Oktave (ohne Kompensation, also der Flageolet-Ton) liegt in der Mitte der Mensur, bis dahin sind es 12 (temperierte) Halbtöne, ergo ist der Abstand von einem Bundstäbchen zum nächsten die 12. Wurzel aus 2 (1.0594631). Was anderes rechnet Dir auch kein Fretcalculator aus. Wenn Du verstanden hast, worum es geht, ist er aber bequemer.    

Unter dem Strich wirst Du (die Zeit nicht gerechnet) mindestens so viel ausgeben, wie eine dem Ergebnis vergleichbare Ukulele kostet, wenn Du die  Arbeitszeit einkalkulierst, mindestens das Zehnfache. Das soll jetzt wirklich nicht abschrecken, aber vielleicht hilft es, das Projekt richtig einzuordnen: Willst Du z. B. eine Uke bauen, die ungefähr 250 € kosten würde, kannst du bei z. B. 15 € netto/Stunde mit Material und Werkzeug etwa den Gegenwert eines Monatslohnes oder 170 Stunden kalkulieren.

Viel Spaß, und viel Erfog!

Christoph

Juku

Kleiner Beitrag zur Kosten/Nutzen-Rechnung:
Der Bausatz für meine Koa-Tenor hat EUR 625 gekostet (Zarge war fertig, Griffbrett gesägt und Slotted Headstock gefräst), dazu kamen 40 Stunden Arbeit in einer gut ausgestatteten Werkstatt (Einpressvorrichtung für Bundstäbe, senkrecht freistehende Bandschleifmaschine...) und unter Anleitung des Meisters.
Dann noch gut 10 Stunden zuhause für die Oberflächenbearbeitung.
Ich bereue nichts...

jazzjaponique

Das geht auch anders, mein Pete Howlett Bausatz hat 90 Pfund gekostet, ok das war ein Glücksfall und ohne Meisteraufsicht hat auch nicht alles perfekt geklappt.
Aber man könnte sich z.B. auch als Schablone einen Billigbausatz beim T kaufen zum warm laufen und üben und dann z.B. Koa oder anderes Tonholz in USA oder auch hier, das findet man mitunter schon für um die $ 100 und dann noch einen 100 für Sattel, Mechaniken etc.. Das sollte langen.

flummi

Wow, vielen Dank, ihr Lieben - besonders Christoph für den ausführlichen Text.
Sieht so aus, als hätte ich mir ne Menge vorgenommen.
Ich habe gar nicht mal soviel Geld bezahlt für das Zubehör was ich mir schon zusammengesammelt habe (ist noch nicht besonders viel,  Bunddraht und Mechaniken, Steg und Sattel, ne Kopfplatte zum Üben), sogar eine Stichsäge von Ebay für 22, 95! Naja, vielleicht rächt sich das ja noch...
Den Plan für die Martin Soprano  hab ich gefunden und auf A3 ausgedruckt, ich werd ihn mit einem Raster auf die gewünschte Größe bringen.
Mist dass heute Sonntag ist, mir jucken die Finger um weitere Dinge einzukaufen:-)

jockel

Zitat von: faltukuleleKeine Experimente würde ich bei der Anordnung der Querbalken empfehlen - wenn die an der falschen Stelle sitzen, bekommst Du unplanmäßige Resonanzen. Das Instrument bevorzugt bestimmte Frequenzen oder gibt andere schlecht wieder (dead spots) - solche gibt es schon mehr als genug.
Hi,
dazu hätt ich mal ne Frage.
Da sich bei \"Bärbel\" die Decke leicht gewölbt hat, hab ich bei einem Gitarrenbauer nachgefragt was man besser machen kann.
Die Antwort war \"x bracing\".
Lohnt es sich wirklich bei eine Ukulele die Leisten über Kreuz zu verleimen, oder lieber die Decke etwas massiver zu bauen?
Ok, ok \"Bärbels\" Decke ist nur doppelt verleimtes Mahagonifurnier...., jetzt hab ich massives Sapeli (Mahagoni), da ist dieses \"x bracing\" vielleicht wirklich nicht nötig.
Wie dick sollte die Decke bei einer Concertgröße denn sein?

Danke schonmal, Jockel

faltukulele

#6
Hallo, Jockel,

was heißt denn \"leicht gewölbt\"?

Jedes auf Biegung belastete Bauteil verbiegt sich unter der Last - Du wirst es kaum messen können, aber auch der Hals einer Sopranino verbiegt sich unter dem Saitenzug.
Das ist nach den Gesetzen der Physik unvermeidbar, daher zwangsläufig einzukalkulieren und im Prinzip so auch völlig in Ordnung.

Wenn Du Dir eine hochglanzlackierte Tenorukulele anschaust, kannst Du die Beule unterhalb und die Delle oberhab des Steges nebst den Randerscheinungen sehr schön nachvollziehen - selbst der stützende Einfluß der Bebalkung wird da deutlich.

Sind die Belastungen (abhängig vom Saitenzug und von der Mensur) und die Materialeigenschaften (hier das E-Modul längs und quer zur Faserrichtung) einigermaßen bekannt, läßt sich die resultierende Durchbiegung durchaus mit hinreichender Genauigkeit berechnen - wiewohl das im Fall der Ukulelendecke, die rundum von einem unregelmäßigen Zargenrand \"eingespannt\" ist, schon höhere Mathematik wäre. Die kannst Du Dir aber fast ersparen.

Für die Dimensionierung muß die Stabilität (genauer: das Widerstandsmoment) des Bauteiles 1. oberhalb der Bruchlast liegen, für Holzquerschnitte im Instrumentenbau sicher selbstverständlich bzw. nur im Mißbrauchsfall interessant: Hät es die Uke aus, wenn ich mich draufsetze? Für Leimfugen (s. Seyonnes Gitarre) aber nicht ganz unwichtig.

Holz neigt bei Dauerbelastung aber auch zur \"kriechenden\" Verformung. Biegst Du eine rechteckige Leiste dauerhaft arg durch (Einlegeboden im Bücherregal oder Geschirrschrank), wird sie sich dauerhaft verformen (auch bei Wegnahme der Belastung nicht in die ursprüngliche, gerade Form zurückfinden). Ab einer Durchbiegung etwa in Größe der Materialstärke ändern sich die Parameter so stark, daß die ursprüngliche Berechnung nicht mehr stimmt. 2. sollte also die Durchbiegung unter Dauerlast (Saitenzug) deutlich unterhalb der Materialstärke liegen, je nach Holzart vielleicht bei etwa der Hälfte.

3. darf natürlich die tatsächliche Durchbiegung den Gebrauchswert nicht beeinträchtigen. Die ganz leichte Durchbiegung des Halses unter dem Saitenzug ist für die Bespielbarkeit sogar besser als ein infolge Überdimensionierung nahezu gerader. Ob sich der Steg - je nach seiner Lage, bezogen auf die Deckenlänge - aus der \"Nullebene\" der Decke unter dem Saitenzug nach oben oder nach unten bwewegt, mußt Du bei der Saitenlage (und damit beim Halswinkel oder bei der Position des Steges) berücksichtigen.
 
4. Um leicht schwingen zu können, müssen die wesentlichen Bauteile leicht sein (beim Gurtpin ist das wurscht, bei den Mechaniken zweitrangig, bei der Decke essentiell). Das Widerstandsmoment einers Rechteckquerschnittes (egal welchen Materiales) ist b x h² / 6. Demzufolge ist also ein Balken im Verhältnis von 1 / 1,4 bis (querschnittsbedingt) 1 / 2,5 gewichtsoptimiert am tragfähigsten.
Die Decke ist so breit wie die Ukulele, da spielt die Breite also - je nach Holzart - eine wesentliche Rolle. Trotzdem steigt die Tragfähigkeit der Decke im Quadrat zu ihre Stärke. Eine Decke von 2,5 mm Stärke trägt also das Doppelte wie eine von 1,8 mm. Zwischen diesen Eckwerten wird die Deckenstärke - je nach den Holzeigenschaften - auch bei einer Concerto liegen.

Viele Grüße

Christoph

Edit: Ein X-Bracing stützt die Decke am Kreuzungspunkt übrigens nicht mehr als ein gleichhoher einzelner Balken, oberhalb der Stegenden etwa so stark wie zwei Balken im gleichen Abstand. Die unteren Enden der Leisten stabilisieren aber den Bereich rechts und links des Steges, was bei einem Schälfurnier, wo die Holzstruktur quer zur Faser ab Werk kaputt ist, durchaus sinnvoll sein könnte. Bei gewachsenem Holz (Sägefurnier) genügen Dir zur Reduktion der S-Biegung aber auch ein oder zwei zierliche Fächerleisten, die (z. B.) oben und unten zwei cm Luft bis zum Balken bzw. zur Zarge lassen und auf gut der Hälfte ihrer Länge ausgedünnt sind.