Vereinfachte Akkorde für Anfänger

Begonnen von wwelti, 29. Nov 2023, 15:28:20

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wwelti

Hallo zusammen,

ich bereite gerade Material für einen kleinen Schnupper-Workshop für Ukulele vor.

Mir ist aufgefallen, daß viele Anfänger (sprich: Leute, die noch nie ein Instrument gespielt haben) auch mit "einfachen" Akkorden wie G, G7, F, D, Bb, usw. große Schwierigkeiten haben.

Nun habe ich ein bisschen mit "vereinfachten" Akkorden in Verbindung mit Weihnachtsliedern herumgespielt, z.B.:

- Fadd9 anstelle von F (0010 statt 2010)
- G7add11 anstelle von G7 (0012 statt 0212)
- Bbmaj7 anstelle von Bb (3210 statt 3211)

Hört sich erstmal ein bisschen ungewohnt an. Aber für mich stellte sich schnell ein Gewöhnungseffekt ein. Z.B. der Wechsel zwischen G7add11 und C ist eine schöne Auflösung der Dissonanz des G7add11, und die durchgehend klingenden Saiten C und G erzeugen einen Bordun-Effekt, den ich nicht prinzipiell verkehrt finde. In früheren Zeiten war so etwas durchaus verbreitet.

Was haltet ihr prinzipiell davon?

Ich habe auch ein kleines Liederheft mit 11 entsprechend angepassten Weihnachtsliedern vorbereitet, würde das mal jemand gern ansehen?

Viele Grüße
  Wilfried

fitzi

...ja, das würde ich mir sehr gerne ansehen! :)

BirgitSausT

Hallo Wilfried, ich unterrichte seit einigen Jahren erwachsene Kinderpflegerschüler*innen auf der Ukulele.
Vielen fallen tatsächlich einige Akkorde zu Anfang sehr schwer, so dass ich in diesem Schuljahr mit Sissi (C7), Franz (F9) und Bruno (0011) angefangen habe ....(https://www.rheinpfalz.de/lokal/zweibruecken_artikel,-ukulele-mit-sissi-und-franz-im-kindergarten-_arid,5533570.html)
Tatsächlich war das ein richtig guter Einstieg mit Erfolgserlebnissen, d.h. fast alle können inzwischen mit den Kindern einfache Lieder singen und begleiten. Fast alle Kindergartenlieder lassen sich mit diesen Akkorden spielen.
Und so sind die meisten so motiviert, dass G7 inzwischen auch spielbar ist.
Viele Grüße Birgit


wwelti

Danke für eure Antworten!
fitzi: Ich schicke Dir mal einen Link per PN.

Viele Grüße
  Wilfried

Ole Lele

Klanglich finde ich ja sowieso, dass der Lele Vierklänge gut stehen und dass es schade ist, wie selten die meisten Spieler sie einsetzen. Gerade add9-Akkorde eignen sich häufig gut, dem Klang ganz unauffällig mehr Fülle zu verleihen.

Der Griff 0012 allerdings ergibt einen sehr schönen, aber polyvalenten Akkord, der in C-Dur eher weniger als Dominante (G11) wahrgenommen wird, sondern als Subdominante (F-Lydisch) oder als Tonikavorhalt (Cj7sus), je nach Zusammenhang. Ich finde die Abwägung schwierig zwischen der Grifferleichterung einerseits und der harmonischen Klarheit, die mir im Anfängerunterricht auch wichtig scheint, denn eigentlich möchte man ja auch dahin kommen, hören zu können, welcher Klang erwartet wird.

Birgits Ansatz, den Akkorden erst einmal Fantasienamen zu geben, scheint mir da hilfreich, also einen Griff erst als G7 (-Ersatz) einzurdnen, wenn er deutlicher als solcher zu erkennen ist.

wwelti

Danke für Deine Einschätzung.

Meine (begrenzte) Erfahrung ist nun allerdings, daß es sehr wichtig ist, daß man am Anfang *überhaupt* etwas halbwegs klares zu hören bekommt. Viele hatten doch arge Probleme ein G7 zu greifen.

Der 0012-Griff funktioniert auch sehr schön als Vorhalt für ein F, aber im Prinzip denke ich, daß er auch zusammen mit dem C-Dur-Griff verwendet werden kann. Klingt für mich auch nicht verkehrt, nur anders. Freilich nicht unbedingt jedermanns Hörgewohnheit entsprechend, aber das heißt ja nicht daß man es nicht machen darf. Die "Bass-Töne" C und G erklingen bei einen Wechsel zwischen 0012 und C-Dur durchgehend als Bordun.

allesUkeoderwas

#6
Nachdem ich Dein Weihnachtsvideo gehört hab, komm ich zu dem Schluss, dass in Verbindung mit dem schönen Gesang Deiner Frau selbst falsche Akkorde akzeptabel wären. Wenn ich persönlich jedoch untalentiert und leise zu den vereinfachten Akkorden singe, hört es sich für meine Ohren schon sehr schräg an.

Mich würde mal interessieren, was Musikpädagogen zu Deinem Verfahren sagen.

Ich (Amateur, der von der E-Gitarre kommt) hab Anfängern immer vermittelt, dass erstmal 3 offene Akkorde einer Tonart für die meisten Lieder reichen, die aber "richtig" und sauber gegriffen. Bei der Ukulele wären das C, F und G7. Und wenn man die Mädels beeindrucken will nimmt man evtl. noch Am dazu (Frei nach dem Spruch von Willie Nelson). Meine persönliche Erfahrung: Was man sich erstmal angewöhnt hat, wird man nur schwer wieder los. Und meine Erfahrung mit Anfängern: Die bekommen das ziemlich schnell hin. Zumindest bei langsamen Liedern. Die echten Probleme beginnen erst, wenn Strumming und Gesang dazukommen.

Gruß, Jogi

Ukulelen: Nur Schrott

Floyd Blue

Habe auch mal die Stücke mit Gesang und den Akkorden getestet. Klingt ungewohnt, passt aber durchaus gut zu den Melodien. Allerdings stehe ich auch auf schräge Akkorde.

wwelti

Danke für eure Rückmeldungen.

Ich denke daß es nicht schwer ist, die vereinfachten Akkorde wieder "loszuwerden". Sobald die Fingerfertigkeit wächst, bekommt man auch die vermeintlich "schweren" Akkorde irgendwann mal hin. Und wenn die entsprechenden Akkorde über den Liedern stehen, greift man die einfach.

Über den Liedern steht ja jeweils die korrekte Bezeichnung des "vereinfachten" Akkords, also z.B. G7add9 oder Fadd9. Gegen Ende des Buches führe ich dann aber auch den echten "F"-Akkord ein und im allerletzten Lied auch ein "echtes" G7. Halt steigender Schwierigkeitsgrad gegen Ende hin. Dafür hört sich das letzte Stück auch sehr nett an mit der verwendeten Akkordfolge, finde ich.

Viele Grüße
  Wilfried

Uhu

Zitat von: allesUkeoderwas am 07. Dez 2023, 18:59:42Mich würde mal interessieren, was Musikpädagogen zu Deinem Verfahren sagen.
(...)
Meine persönliche Erfahrung: Was man sich erstmal angewöhnt hat, wird man nur schwer wieder los. Und meine Erfahrung mit Anfängern: Die bekommen das ziemlich schnell hin. Zumindest bei langsamen Liedern. Die echten Probleme beginnen erst, wenn Strumming und Gesang dazukommen.

Bei Kindern: Ukulelenunterricht richtet sich nach dem Vorwissen der Kinder und ergänzt den Lehrplan der Grundschulen im Fach Musik. Das bedeutet, dass die Kinder die Tonleiter c bis c auf dem Glockenspiel sehen, später auch aufsagen können und dann feststellen, dass es diese Töne auch auf anderen Instrumenten gibt (Blockflöte, Tasten- und Zupfinstrumente). Sie lernen spätestens im vierten Schuljahr den ,,Dreiklang" kennen und können ihn auf dem Glockenspiel nachspielen und beschreiben(immer der übernächste Ton, das hört sich dann ,,richtig" oder ,,traurig" an). Im 5./6. Schuljahr kommen klassische Notenlehre, Terzschichtungen, Dur/Moll und Abweichungen davon dran, diesmal mit korrekter Bezeichnung. So der NRW-Lehrplan im Fach Musik.

Also greife ich den jeweiligen Kenntnisstand auf und lasse herausfinden, dass ich auf der Ukulele vier Tonleitertöne und sogar zwei Dreiklänge wiederfinden kann, dass ich einen davon (C) zum Begleiten nutzen kann, lasse den Ringfinger auf C aufsetzen und rede über empfindliche Fingerkuppen, nutze derweil die Zeit für Anschlagstechniken rechts, lasse Bruder Jakob in allen Heimatsprachen der Kinder singen und mit C begleiten, führe dann den Wechsel zu a-Moll ein mit den Hürden Fingerhaltung/Timing beim Fingerwechsel/blind wechseln können/Moll und Dur unterscheiden können. Praktische Erfahrung auf dem Instrument, Vorstufen der Harmonielehre und Übetechnik laufen also immer parallel. Wenn F nicht klappt, ist mit der Handhaltung etwas nicht ok oder es wird zu viel Druck ausgeübt. Also ein paar Übespiele einbauen und noch zwei Stunden Bruder Jakob singen ...

Ich habe Kinder in der Gruppe, die zu Hause länger schon Klavier nach Noten lernen oder in den türkischsprachigen Baglamaunterricht gehen (und dort do re mi und das Auswendigspiel lernen) oder deren ukrainische Lehrerin im Samstags-Online-Unterricht ihren Musiklehrplan weiter durchzieht. In NRW-Schulen gibt es häufig noch das Jekits-Musikalisierungsprogramm, das Kindern ,,Mäusenoten" beibringt statt korrekter Begriffe. All das mischt sich in der Gruppe. Aus leidiger Erfahrung:
Sämtliche Variationen und Vereinfachungen irritieren die Kinder, deshalb bin ich strikt dagegen. Mir reichen der NRW-Lehrplan und das Vorwissen der Kinder.

Bei Erwachsenen: Auch diese haben in der Regel musikalische Vorerfahrungen, kennen Dreiklänge aus der Schulzeit, haben eine Blockflöte zu Hause oder mal fünf Gitarrengriffe gelernt. Oder in der Familie gibt es jemanden, der ein Instrument lernt. Wenn ich merke, dass ein Erwachsener erhebliche motorische Schwierigkeiten hat, lasse ich Leersaiten als Begleitung spielen: ,,Lasst uns froh und munter sein", gesungen und mit c- und g-Saite begleitet, ist dann ein schönes Erfolgserlebnis, wenn alles andere nicht klappt.

Vielleicht wird an dieser Stelle deutlich, dass das Lernen vermeintlich schwieriger Akkordgriffe nicht das eigentliche Problem im Unterricht ist, sondern dass das praktische Musikmachen immer wieder neue Anfänger-Herausforderungen enthält, denen ich mit realistischen Trainingszielen begegnen muss. Schließlich soll jede Unterrichtsstunde Spaß machen, auch mir!



wwelti

#10
Danke für Deinen Beitrag.
Ich bin kein Musikpädagoge, und weiß nur auch aus meiner eigenen Erfahrung, daß Musik Spaß machen sollte. Mit den Erwachsenen und Kindern beim Ukulelen-Schnuppertreffen hatten wir jedenfalls schöne Erfolgserlebnisse mit meinem Heft. Und daß die "Vereinfachungen" hier irritierend sind, glaube ich kaum, ich benenne ja nichts falsch. Grifftechnisch wird dann ja einfach darauf aufgebaut, indem weitere Finger gesetzt werden.

Das Wort "Lehrplan" triggert übrigens den Rebell in mir... die nicht vorhandene "Verschulung" war es ja unter anderem, was mich zur Ukulele gebracht hat.  :D Diversität und Abweichungen von der Norm statt Uniformität, das ist einer der Aspekte, der mir die Ukulele so sympathisch macht.

Viele Grüße
  Wilfried

gerald

Für Weihnachten bin ich jetzt zu spät, ich schaue mir Dein neues Heft aber gern an, sobald die
ersten Schokoweihnachtsmänner oder die ersten Spekulatius in den Supermarktregalen stehen.

Zu Deiner Idee gibt es aber gerade in der Ukulelewelt auch sehr prominente Vorbilder.
James Hill verfolgt mit Ukulele Booster ein ähnliches Konzept, das z.B. von Tobias Elof
übernommen wurde. Phil Doleman hat ein Arrangement von "Bring me Sunshine", welches sehr
stark daran erinnert, obwohl er sich nicht explizit darauf beruft.

So gesehen bist Du mit dieser Idee in sehr guter Gesellschaft.

Bei Ukulele Booster geht es James Hill sehr stark darum, einerseits Akkorde zu finden, die
sehr einfach zu greifen und zu wechseln sind, andererseits aber auch möglichst interessant
klingen - nach Möglichkeit etwas interessanter als C-Dur und F-Dur.

Er sucht dazu auf der Ukulele etwas, was er Twin Chords, also Zwillingsakkorde nennt. Das sind
(für ihn) Akkorde mit einem einfachen Griffbild, welches sich auf dem Griffbrett einfach zu einem
anderen Akkord verschieben läßt, weitere Bedingung ist, dass diese Akkorde für sich genommen
schön und interessant klingen und zusammen passen.
Eine dieser Kombinationen ist F9 (auf den Du auch gekommen bist) und C7 eine weitere, G6 und D7.
(Die beiden Beispiele geben vermutlich eine deutlich bessere Vorstellung von dem, als der Text
davor...)

James Hill hat auch vor ein paar Jahren mal ein Weihnachtlied entsprechen arrangiert und es als
Jazz-Version bezeichnet. Es gibt (gab?) dazu auch ein Video von ihm wo er seine Begeisterung von
G6 und den vielen Zwillingen zeigt.

Leider habe ich gerade keine Links parat, aber mit den hier genannten Stichwörtern wirst Du etwas
finden.

Das was James da macht ist schon sehr speziell und sehr ausgefeilt, ob es ein wirklich gutes
pädagogisches Konzept ist, kann ich nicht beurteilen. Das was Du machst, geht aber in eine
ähnliche Richtung.

wwelti

Vielen Dank für den Hinweis, Gerald!

G6 ist auch sehr schön, wenn auch einen Tick "schwieriger" als die meisten Akkorde, die ich für die einfacheren Stücke verwendet habe.
Hier ist übrigens der Link zum Download für das E-Book, nur falls jemand sich wundert wo man das bekommen kann:
https://www.ukulele-arts.com/2023/12/07/ukelige-weihnachtslieder/

Viele Grüße
  Wilfried