Stimmung der Saiten kalibriern

Begonnen von Red, 04. Sep 2020, 13:13:58

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Red

Kann mir jemand erklären wozu es dient die Stimmung der Saiten von z.B. 410 bis 480 Hertz zu kalibriern?

Mir ist der Nutzen nicht ganz klar. Ist das Geschmackssache, oder auch einen technischen Effekt?

Gibt es bestimmte Kalibrierungen für bestimmte Instrumente oder Musikstücke?

Danke!

Gruß
Red

TooOldForRockNRoll

Music is my best friend

HEiDi

... und dann gibt es noch die Esoteriker, die es für wichtig halten, einen tieferen Kammerton zu nutzen,
da er angeblich besser zur "Erdschwingung" passt.  8)
HEiDi mit MAjA, UkuLily & wir_holen_den_cup

Knasterbax

Ich verstehe leider erstmal nur Bahnhof: Messgeräte müssen kalibriert werden, Saiten werden gestimmt.
Was ist denn mit der Kalibrierung von Saiten gemeint? (Wenn ich das google, kommt eigentlich nur: Saitenlage einstellen bei Gitarren. )
Ich bin ja eher fürs Spielen als fürs Üben. (skiffle)

Red

Ich meinte die Kalibrierung des Stimmgerätes um die Saiten zu stimmen. Diese lässt sich verstellen, und somit müsste der Ton der gestimmten Saite etwas abweichen, je nach dem wie das Stimmgerät kalibriert ist.
Gem. dem Wiki liegt diese Stimmung in Deutschland wohl bei 440 bzw. 445 Hertz.

In anderen Ländern eben anders. Das verwirrt mich etwas.

Gruß
Red

HEiDi

Kurz zusammengefasst, sind das gewachsene Traditionen, die aus unterscheidlichen Gründen
entstanden sind und teilweise im Wikipedia-Artikel erklärt werden.
Das Argument, dass Saiten mit höherer Spannung lauter sind, finde ich zum Beispiel für Ukulele
interesant (und relevanter als vermeintliche Erdschwingungen).
HEiDi mit MAjA, UkuLily & wir_holen_den_cup

gerald

Spannend ist auch die Historie:
Im Friedensvertrag von Versaile wurde das a auf 435 Hz festgelegt.
Allein schon spannend, dass das überhaupt in den Friedensvertrag nach dem ersten Weltkrieg aufgenommen wurde.

Bei der Stimmtonkonferenz im Jahr 1939 wurde die Festlegung auf 440 Hz getroffen und damit die 20 Jahre zuvor getroffene Festlegung quasi gestrichen.
Hätte man 1939 nicht wichtigere Dinge zu klären gehabt?

Allein das Jahr der Festlegung des aktuellen Kammertons auf 440 Hz führt zu allen möglichen Verschwörungstheorien.

Pazukulele

#7
Ursprünglich unterschied man beim Stimmen der Instrumente zwischen Chorton und Kammerton. Der Chorton war für den Gebrauch in Kirchen gedacht; der Kammerton wurde eingeführt, weil man in kleineren Räumen -- "Kammern" eben -- für die dort dominierenden Streich- und Holzblasinstrumente "einen schönern und männlichern Ton" (so ein Musikwissenschaftler 1827) haben wollte. Der Kammerton lag deshalb einen ganzen Ton unter dem Chorton.
Allerdings gab es keinen Konsens, wie hoch denn diese Töne liegen sollten. Es gab "so vielerley Stimmungen ... als Städte von einiger Bedeutung in Europa". Am Wiener Hoftheater erklang die Stimmgabel 1827 um einen halben Ton höher als in Leipzig, höher auch als in Paris und ungefähr so hoch wie in Petersburg.
Meßvergleiche zeigten auch, daß im 18. Jh. eine Tendenz zur Erhöhung dieser Töne herrschte. Diese Messungen wurden überhaupt erst möglich, nachdem Chladni am Ende des 18. Jhs. bahnbrechende Forschungen zur Schwingung in der Akustik durchgeführt hatte. "Die Akustik" hieß dann auch sein preisgekröntes Werk von 1798. Chladni schlug vor, das große C bei 128 Schwingungen in der Sekunde anzusetzen, wie er es in Wittenberg gemessen hatte (und wie es damals auch in Paris üblich war). Das hätte 432 Hertz für das A entsprochen.
Über die Konsequenz eines höheren Kammertons für die verschiedenen Instrumente (ganz abgesehen von den Sängern, für die dies natürlich dramatische Folgen hat) wurde damals auch diskutiert. Für Saiteninstrumente (was uns hier interessiert) wurde z.B. die Ansicht vertreten, Amati, Stradivari u.a. hätten ihre Instrumente für tiefere Kammertöne konstruiert, und höhere Stimmungen würden entweder zu einer stärkeren Spannung und damit größeren Gefährdung der Instrumente führen oder zu schwächerer Besaitung und damit schlechterem Klang.
Insofern ist die Diskussion um den Kammerton durchaus nicht trivial. Wir können wohl davon ausgehen, daß Renaissance- und Barockmusik zu ihrer Zeit deutlich tiefer geklungen haben, als wir sie heute aufführen, wenn wir uns an 440 Hz als Kammerton halten. Allerdings gilt dies nicht für Kirchenmusik, denn die hat sich ja nach dem Chorton gerichtet ...
The LORD was ready to save me: therefore we will sing my songs to the stringed instruments all the days of our life in the house of the LORD. (Isaiah 38:20)

Red

Danke für die guten Erklärungen.

MfG
Red

UkeDude

Super Beitrag, Pazukulele. Danke