Frühe Ukulelenschulen in Deutschland

Begonnen von hinnerk, 07. Aug 2018, 15:28:44

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema. (4 Antworten, 2.883 Aufrufe)

hinnerk

Frühe Deutsche Ukulele-Schulen

In Graz hatten wir uns am Rande über deutsche Ukulelenschulen unterhalten und nach meinen unvollständigen Ausführungen (aus der ,,la meng" wie der Pfälzer sagt) wurde ich gebeten, im Forum das Ganze doch mal ,,vollständig"  darzustellen:

Vorab, 1894 veröffentlichte HOLSTEIN eine Grifftabelle, 1906 gab KAAI die erste Ukulelenschule heraus.

Die erste deutsche Ukulelenschule erschien 1927 im Zimmermann-Verlag, geschrieben von Ernst HÜLSEN, einem Gitarrenlehrer in Hamburg.  Die Idee dahinter war, dass Zimmermann für alle verlegten Instrumente eine Schule herausgeben wollte. Hülsen war neuen  Instrumenten gegenüber aufgeschlossen, hatte im März 1927 eine Jazz-Schlagzeugschule herausgegeben und darin auch die Ukulele erwähnt, war unter anderem mit BARESEL befreundet.
Die Schule für Ukulele umfasst 37 Seiten in DIN A4. Der Ursprung des Instruments wird am Ende kurz umrissen. Er benutzt die d-Stimmung, verwendet Filz-Plektrum und Finger fürs Spielen. Als Saiten benutzt er Saiten von Gitarre oder Violine. Inhaltlich behandelt er Musiktheorie, Melodie und Begleitung, einige wenige Solostücke und Stücke für Mandoline und Gitarre.

Im Mai 1928 erscheint bei Domkowsky die Schule von JOHNSON, übersetzt von MERKELT, einem erfahrenen Instrumentalschulenherausgeber und Bearbeiter.
Sie umfasst 51 Seiten in DIN A5 quer, er verwendet zum Spielen Finger und Plektren aus Schildpatt und Filz, die Darmsaiten sind in d-Stimmung. Die Herkunft Portugal wird nur kurz erwähnt, weiters wird zur Geschichte nicht angeführt.  Inhaltlich behandelt er Musiktheorie, Tremolo, Melodie und Begleitung.

Im Juli 1928 erscheint im Eigenverlag die Schule von DOMINGO. Der ist seit 1912 u.a. Ukulele-Lehrer auf Hawaii und hat vor, die Ukulele in Deutschland bekannt zu machen. Er verkauft auf der Herbstmesse 1928 in Leipzig Ukulelen zusmmen mit der neuen Schule.
Die Schule ist engl./deutsch. Sie umfasst 92 Seiten DIN A5 quer, er propagiert Spielen mit Fingern und Plektrum. Die Stimmung ist ,,Original Hawaiituning" c-Stimmung, keine näheren Angaben zu den Saiten. ,,Die Ukulele ersetzt in Hawaii die Trommel", inhaltlich bietet er Melodie und Begleitung, keine Theorie, nichts weiteres zur Geschichte.

Im August 1928 erscheint bei Semfa von SALABERT in deutscher Sprache die im Jahr vorher in französisch herausgegebene Kurzschule für und mit  Ukulele.
Sie umfasst 12 Seiten in DIN A5 hoch. Zur Spieltechnik keine Angaben, er erwähnt und benutzt c-Stimmung, d-Stimmung und es-Stimmung.  Als Saiten empfiehlt er Violinen- oder Spezialsaiten für Ukulele. Inhaltlich bietet er ein paar interessante aktuelle Lieder (Begleitakkorde), keine Theorie. Interessant vor allem seine bizarre Darstellung der Geschichte der Ukulele.

Im April 1931 erscheint bei Benjamin die Ukulelenschule von WOBERSIN. Der ist erfahrener Gitarrist und Lautenist, hat Schulen und Noten herausgegeben.
Die Schule umfasst 58 Seiten, DIN A5 quer. Er benützt Finger- und Plektrumspiel. Die Saiten in d-Stimmung oder c-Stimmung (Jazzspieler) sind von der Violine. Die Schule beinhaltet Musiktheorie, Tremolo, Melodie und Begleitung. Er erwähnt die Machete und Portugal.

Die Schulen von Hülsen, Merkelt/Johnson und Domingo habe ich im Original, die von Salabert und Wobersin in Kopie. Die Ukulelen zur Domingo- und zur Salabertschule sind in meiner Ukulelensammlungshomepage  https://www.ukes-in.de/  zu sehen.

1958 erschien bei Sotos die Ukulelenschule von GENSCH. In dem Verlag gab es eine ganze Reihe verschiedener Ukulelen-Hefte.
Die Schule zum Selbstunterricht umfasst 20 Seiten DIN A5 hoch und ist für Ukulele und Ukulelenbanjo.  Die Ukulele in d-Stimmung ist mit Stahlsaiten oder ,,neuerdings mit Nylonsaiten bezogen".
Sie umfasst Liedbegleitung mit dem Plektrum, keine weiteren Angaben zur Geschichte/Herkunft.

Von TEUCHERT erscheint 1960 eine Spielanleitung für Ukulele im Schmidt-Verlag.
Sie umfasst 20 Seiten DIN A5 hoch. Nach einem kleinen Einführungstext hauptsächlich zum Einsatz kommen Lieder mit Begleitung in d-Stimmung. Er benützt das Plektrum, am Ende werden 3 weitere Anschlagsarten vorgestellt und erklärt.

Von ARTMEIER erscheint 1963 bei Dux die ,,Schule für Ukulele".
Sie umfasst 30 Seiten DIN A4 und beinhaltet Liedbegleitung mit dem Plektrum. Geschrieben in d-Stimmung ist auch ein Musiktheorieteil vorhanden. 

Die nächste Schule ist nach langer Pause die von BAIER/MÜLLER 1996 im Verlag ERES.
Wenn jemand Originale von Wobersin oder Salabert hat bitte ich ihn/sie sich bei mir zu melden. Von anderen Schulen in der Zeit ist mir nichts bekannt. Kleinere Spielanleitungen und die dreiteilige Artikelreihe 1986 von EGLHOF sind hier nicht aufgeführt aber bekannt.
Viel Spass und Erkenntnis beim Lesen, für Kommentare bedanke ich mich im Voraus, LG hinnerk 

Tuke

Vielen Dank, Hinnerk, für die akribische Darstellung!!
Früchte jahrelangen Sammelfleißes...

Nach Frank Baiers Ukulelenschule habe ich selbst ,,autodidaktisch" Spielen gelernt.
Viele durften ihn ja in Winterswijk auch life erleben.
DAS ukulistische Urgestein in Deutschland.
Da er nach wie vor im Ruhrpott singt und spielt, dürfte er allerdings auf das ,,a"
in seinem Namen Wert legen...  ;)
LG TT
"Die Normalität ist eine gepflasterte Straße: Sie ist bequem zu gehen, aber auf ihr wachsen keine Blumen." - Vincent van Gogh

hinnerk

Lieber Thomas,
Danke für den Hinweis, habs verbessert. LG hinnerk

gerald

#3
Als ich angefangen habe, Ukulele zu spielen, gab es die erwähnte Schule von Baier/Müller
nur theoretisch, praktisch war sie in den Auslagen der Musik- und Notenfachgeschäfte
eigentlich nie zu finden.

Die x.-Auflage von der Schule von Fred Artemeier hingegen war fast immer vorrätig, allerdings
meine ich, sie überwiegend in DIN A5 quer gesehen zu haben. Trotz der Angabe, dass es sich
um eine mehrfach bearbeitete Auflage handelt, hatte ich den Eindruck, dass wenn überhaupt
Rechtschreibfehler korrigiert wurden; dabei wurde aber die zu dem Zeitpunkt schon fast 10
Jahre veraltete Rechtschreibung verwendet. Auch der sicherlich bei jeder Auflage neu gestaltete
Umschlag hatte etwas retroartiges.

Die Schule von Teuchert gab es (in neuerer Auflage) auch noch deutlich öfter in den Geschäften,
als die deutlich modernere von Baier/Müller.

Warum wollte ich mir eine Ukulelenschule vor dem Kauf unbedingt in einem Geschäft anschauen?
Zu der Zeit in jedem Laden vorrätig, von "Fachverkäufern" empfohlen, im Internet beworben war
Ukulele total von Gernot Rödder aus dem renommierten Voggenreiter Verlag.
Damals haben viele das Buch gekauft, mitunter sogar in einem Set mit einer Art Ukulele, haben
kurz darauf das Forum gefunden (oder sogar gegründet, ich glaube auch Kay gehört dazu)
und dann recht deutlich negativ darüber berichtet.


Claus

@Hinnerk: Vielen Dank für diese Zusammenfassung!