Ukulelenboard

Ukulelenboard => Theorie, Technik, Aufnahme => Theorie => Thema gestartet von: Tuke am 29. Mär 2013, 16:12:34

Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: Tuke am 29. Mär 2013, 16:12:34
Eine Frage an die (musiktheoretisch) Erfahrenen:

Auf dem Foto einer kleinen Cister aus dem 17. Jahrhundert

Klick (http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cithrinchen_BNM_Mu_13.jpg)


sieht man, dass die Bundstäbe in eigentümlichen Abständen angebracht sind:

lang - kurz - lang - kurz - mittel - mittel - mittel usw...

Die Stimmung des Instrumentes war z.B.  c e g h e\', oder auch f a c\' e\' a\'.

Für welche Art Tonleiter war das gedacht?
Gibt es so etwas heute auch noch?
(Die Dulcimer haben ja auch andere Bundabstände...)


Edit 30.3.: Hier ein Ausschnitt:

(https://www.ukulelenboard.de/proxy.php?request=http%3A%2F%2Fi45.tinypic.com%2F24zx7co.jpg&hash=763fb1b5cb1eb12231ff63417c239da564346258)

Edit 30.3., II
Info für die Kurzleser: Auflösung s. Post #27
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: wwelti am 29. Mär 2013, 16:27:22
Ich wusste gar nicht daß es damals schon chinesische Billig-Instrumente gab... :roll:

Man bedenke: Der 12. Bund ist ungefähr in der Mitte. Das sollte also wohl tatsächlich die Oktave sein. Hmm, nach einem indischen Instrument sieht die auch nicht aus. ;) Vielleicht nennt man das einfach nur _schlecht_? ;)
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: Benutzername am 29. Mär 2013, 16:31:10
Per Ausgenmaß hätte man die Bünde genauer platzieren können, also muss es einen Grund geben. Der Unterschied der Abstände sieht nicht so groß aus dass es einen Halbton ausmachen könnte wie bei Dulcimern zum Beispiel. Haben wir was verpasst? gibt es vielleicht nicht nur Ganz- und Halbtöne, sondern auch Vierteltöne?
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: wwelti am 29. Mär 2013, 16:36:22
Es gibt sogar Hundertsteltöne. Nennt sich Cent. ;) (Stimmt nicht ganz: Das sind Hundertstel-Halbtöne)

Ich muß sagen daß ich schon einige alte Instrumente mit grausliger Bundierung gesehen habe -- aber vor allem bei billigeren. Ich bin ja in letzter Zeit etwas misstrauischer geworden, ganz allgemein... könnte es sein daß sich so die billigeren Instrumente grundsätzlich auch klanglich von den besseren hörbar absetzen sollten? :mrgreen:
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: wwelti am 29. Mär 2013, 16:40:47
... Hier nochmal dasselbe Instrument in \"besser\". Ich muß zugeben, ich find\'s interessant. Hier ist die Bundierung etwas gleichmäßiger, aber nicht GANZ gleichmäßig. Es sind tatsächlich ähnliche \"Verzerrungen\" in der Bundierung, aber weniger stark.

Vielleicht gibt es doch einen weiteren Grund? Es ist allerdings eindeutig eine chromatische Bundierung.

http://www.metmuseum.org/toah/works-of-art/1985.124

Viele Grüße
  Wilfried
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: allesUkeoderwas am 29. Mär 2013, 18:45:33
Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Instrumentenbauer damals zu blöd waren ein Instrument zu bauen. Mein Thahitibanjo und meine Bastardgitarre haben die gleiche Verschiebung des 3. Bundes - Der 3. Bund fällt am extremsten auf - Hier im Vergleich zur Ukulele...

(https://www.ukulelenboard.de/proxy.php?request=http%3A%2F%2Fi54.tinypic.com%2F4groth.jpg&hash=621229e848232b768171b0f1c4b0ea9e44b7137c)

Ich hab grad nur \'n Foto vom Banjo zur Hand, das hat aber nur 6 Bünde.

Beim alleine Spielen macht sich das weder beim Melodiespiel noch bei gestrummten Chords unangenehm bemerkbar - Ich hab dieses Instrument allerdings noch nie gemeinsam mit anderen gespielt...

Deine Frage interessiert auch mich, ich schließ mich daher mal an.
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: TERMInator am 29. Mär 2013, 18:48:35
Ich weiß nicht, ob das eine so große Abweichung der Bundstäbchen ausmacht, aber vielleicht ist das Instrument nicht in der heute üblichen gleichstufigen Stimmung sondern in reiner Stimmung oder mitteltöniger Stimmung (passt zum Alter des Instruments) gebaut ?
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: wwelti am 29. Mär 2013, 19:08:28
Sehr spannend. Für die ersten paar Bünde könnte das auch als Kompensation für eine hohe Saitenlage am Sattel einen Sinn ergeben. Allerdings sieht mir die Saitenlage an Tukes Cithrinchenbild gar nicht besonders hoch aus...

Ich weiß nur eins: Ich hatte mal eine alte Mandoline (oder so) mit ähnlich unregelmäßiger Bundierung in der Hand. Klang _scheußlich_. Für meine Ohren jedenfalls. Bei einem Charango meiner Großtante ist etwas ähnliches der Fall, die Bünde sind da auch ein wenig abenteuerlich. Klingt auch recht krumm, aber Markus meinte einmal, das sei für Musiker dieses Kulturkreises ganz normal und sogar eine geschätzte Eigenschaft. (Habe ich das richtig in Erinnerung?)

Aber das Hamburger Cithrinchen war ja eigentlich nicht in einem sehr exotischen Kulturkreis unterwegs... Ja, früher hatte man natürlich nicht die gleichstufige Stimmung, aber eigentlich müsste dann doch die Bundierung für jede Saite andere Abstände haben. So ganz erschließt sich mir die Sache nicht.
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: allesUkeoderwas am 29. Mär 2013, 19:18:19
Ich glaub eher, daß Termis Hinweis der richtige Weg ist.

Ich bin kein Theoretiker (Hab auch nicht die Absicht, einer zu werden), aber ausgehend vom C trifft es bei meinen Instrumenten hauptsächlich das D# - Vielleicht führt das Stichwort kleine Diësis weiter ???
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: Tuke am 29. Mär 2013, 19:27:40
Zitat von: wweltiSehr spannend...
Finde ich auch  :mrgreen:
@ alle: Danke für\'s Miträtseln.

Den Autor des Buches über den Instrumentenbauer Tielke (http://www.tielke-hamburg.de/htm/einfuehrung.htm),
Prof. Friedeman Hellwig habe ich mit dieser Frage angeschrieben.
Er wohnt hier bei mir um die Ecke.

Der hat freundlich zurückgemailt, dass er mir das gerne mal telefonisch erläutern würde, nach Ostern.

Bleibt also noch etwas spannend, die Sache.
Werde dann berichten...
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: wwelti am 29. Mär 2013, 19:42:33
Hab mal in die Wikipedia geschaut.

Beeindruckend. Während bei reiner Stimmung die Unterschiede zu gleichstufiger Stimmung nicht allzu groß sind (und somit kaum so große Unterschiede bei der Bundierung rechtfertigen würden) sieht es bei den teilweise recht verbreiteten mitteltönigen Stimmungen anders aus. Hätte ich nie gedacht daß die Intervalle da so stark von der gleichstufigen Stimmung abweichen! Man lernt nie aus.

Einige Intervalle werden bei sowas freilich schauderhaft klingen.

Edit:
Tuke: Klasse, da bin ich sehr auf seine Erklärung gespannt!
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: charangohabsburg am 29. Mär 2013, 19:54:27
Wahrscheinlich war da mal ein selbsternannter \"Restaurator\" am Werk. Oder viel mehr mehrere. Leider kein Einzelfall sondern eher die Regel. Der Zahn der Zeit nagt bei Instrumenten oft in der Reparaturwerkstatt am schnellsten.
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: TERMInator am 29. Mär 2013, 19:58:55
Dazu kommt noch, daß diese nicht-gleichstufig gestimmten Instrumente meist nur für 1, 2 oder max. 4 Tonarten geeignet sind. Dafür dann dort aber gut klingen, insbesondere bei  Bordunmusik.
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: hinnerk am 29. Mär 2013, 20:08:36
Man nennt das auch die \"teildiatonische Bundierung\", näheres dazu im Buch \"Zistern\" vom Musikinstrumentenmuseum Leipzig. Vielleicht schaffe ich morgen eine kurze Zusammenfassung. LG bis dann, Axel
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: hinnerk am 30. Mär 2013, 08:07:45
Hallo, uns allen vertraut ist die chromatische Bundierung/Bundeinteilung von Ukulele, Gitarre, Banjo etc. , da braucht man nicht viel zu sagen. Weniger vertraut ist die diatonische Bundierung wie wir sie bei vielen Kastenzithern (u.a. Scheitholt, Hummel, Dulcimer etc.) finden. In bestimmter, teils unterschiedlicher Reihenfolge sind mit den Bundstäbchen/Bünden  Ganz- und Halbtonschritte markiert, leicht an den Abständen zu erkennen. Auf der Seite von STRUMSTICK kann jeder das unterschiedliche Aussehen von chromatischer/diatonischer Bundanordnung vergleichen. Da die diatonische Anordnung die Tonarten begrenzt bzw. teilweise sehr ungewohnte Skalen hervorbringt (noch interessanter die Mehrtönigkeit !), sind schon früh Zwischenbünde, teilweise auch nur Teilbünde eingefügt worden. Besonders gut kann man das z.B. bei den ungarischen Zithern (Citera) sehen. Es ist aber auch bei Kastenhalslauten (und da zählt die Zister dazu) gemacht worden. Die Anordnung der Teilbünde oder Zwischenbünde ist dabei unterschiedlich gehandhabt worden, d.h. die Instrumente sehen bei der Bundanordnung teilweise absurd unterschiedlich aus. Diese Teil-/Zwischenbünde erhöhten die Tonartmöglichkeiten. Warum sich diese Bundanordnung so strikt erhalten hat, wo andere Saiteninstrumente schon längst chromatisch bundiert wurden, wird immer noch diskutiert, es gibt keine Quellen die das eindeutig beantworten.
Zur Stimmung nur so viel: Es kristallisierten sich mit der Zeit und je nach Region bestimmte Intervall-Verhältnisse der Chöre zueinander heraus, aber auch Umstimmen war alltäglich, je nach Einsatz.
Zur Chörigkeit: Es gab 4-, 5-, 6-, usw chörige Instrumente. Es gab ungegriffene Baßseiten an Zistern,  die Chöre waren 1 - 3 saitig. So ziemlich alles ist zu finden. Das Hamburger Cithrinchen wurde 5-chörig konzipiert, was aber nicht ausschloß, daß es auch 4-chörig umgestimmt wurde.
@Thomas, unter diesem Link ist ein interessnter Text zum Cithrinchen, davor einiges zur Zister überhaupt: http://archive.org/stream/musikhistorische02heye#page/200/mode/2up  (Ein übrigens höchst interessanter Katalog von 1912)
@Guido, 2 Zitate:
\" Ein frühes Zentrum des Zisternbaus in Deutschland bildete Köln\" \"Die Instrumente von Michael Bochem (KÖLN) stellen in der Entwicklung des kunsthandwerklichen Zisternbaus in Deutschland einen Höhepunkt dar\" beide Zitate aus der Diss. von MICHEL, 1989. Leider gibt es grade in Köln kein erhaltenes Exemplar, dafür im Hessischen Landesmuseum gleich 3, darunter ein Cithrinchen.
LG erstmal, auf Anfrage mehr, Axel
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: wwelti am 30. Mär 2013, 09:11:46
Es gibt da nur ein Problem: Das Hamburger Cithrinchen hat offenbar 12 Bünde bis zur Oktave. D.h. wir haben eine vollständig chromatische Bundierung. Der 12. Bund ist scheinbar ziemlich genau in der Mitte. Es fehlen also keine Bünde (wie dies bei diatonischer oder teildiatonischer Bundierung der Fall wäre), sondern die Abstände zwischen den Bünden sind etwas anders als gewohnt.
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: wwelti am 30. Mär 2013, 09:27:12
Die Erzählung mit dem Bauern und seiner Frau gefällt mir irgendwie :mrgreen:

Ich möchte aber auch nochmals auf die mitteltönigen Stimmungen hinweisen. In der Wikipedia wird eine 1/4-Komma - mitteltönige Stimmung demonstriert. Dort sind die Intervalle doch erstaunlich ungleichmäßig:

c - cis: 76 Cent
cis - d: 117 Cent
d - es: 117 Cent
es - e: 76 Cent
e - f: 117 Cent
f - fis: 76 Cent
fis - g: 117 Cent
g - gis: 76 Cent
gis - a: 117 Cent
a - b: 117 Cent
b - h: 76 Cent
h - c: 117 Cent

(siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelt%C3%B6nige_Stimmung )

Das ist schon mal eine deutliche Abweichung von der Regelmäßigkeit einer gleichstufigen Stimmung, in der all diese Intervalle genau 100 Cent betragen. Wenn man dann noch berücksichtigt, daß es noch zahlreiche weitere Parameter gibt, die bei \"Platzierung der Bünde nach Gehör\" zu weiteren Abweichungen führen können, kann diese etwas \"wilde\" chromatische Bundierung vielleicht doch nachvollziehbar werden.
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: hinnerk am 30. Mär 2013, 10:53:18
Hallo, wir brauchen das Rad nicht neu zu erfinden, viele haben sich vor uns schon diesem \"Problem\" gewidmet. Ich habe versucht in Kürze den derzeitigen Stand der Forschung darzustellen. Das war und ist nicht so einfach. Ich habe hier mehrere Monographien zur Zister zur Hand und kann zeitnah nachlesen.
Die mitteltönige Chromatik wie wir sie heute \"haben\" war damals noch kein Thema, Wilfried hats grade erwähnt. Nicht erwähnt habe ich, daß nicht alle Saiten auf allen Bünden gespielt wurden.
Weiters hab ich hier mal eine Tabelle mit Bundabständen/Frequenzmessung dazu. Jeder kanns auf Millimeterpapier aufmalen und mit der Abb. Cithrinchen oben vergleichen:

B1 33,1mm/109,0Hz; B2 58,6/202,5; B3 87,0/303,5Hz; B4 113,4/--; B5 136,0/500,0; B6 161,0/602,5; B7 179,8/690,5; B8 202,0/--; B9 219,0/885,0; B10 238,6/989,0; B11 257,5/1100,0;
B12 271,1/1200; Mensur 545mm; -- bedeutet Messung nicht möglich weil die Saite auf demnächsten Bund aufliegt (zitiert aus dem Katalog ZISTERN, Leipzig 1999).
Kopp Hinrich war renommierter Instrumentenbauer. Ich glaube nicht daß er geschlampt hat. Bis sich die chromatische Bundierung bei neueren Modellen durchsetzte wurden viele Zistern mit dieser Bundierung hergestellt, ich hab hier mehrere in Katalogen zum Vergleich. Vielleicht ein Nebensatz: Mit der Einführung fester Bünde kam natürlich das Problem mit der Stimmreinheit. Vorher konnte man die Bünde fürs Feintuning leicht verschieben (Wie es die Lautenisten heute noch machen).
Alles in allem kann ich nur wiederholen, warum die \"Aufgabenstellung\" so gelöst wurde, ist auch bei denen noch nicht geklärt, die sich berufsmäßig schon lange mit Zistern beschäftigen.
@Peter: Ich habe viel Instrumente selbst gebaut, chromatisch wie diatonisch bundiert; daher sind mir die Grundprinzipien vertraut. Ich besitze auch eine ungarische Zither, die genau wie in Deiner Anekdote in Süd-Ungarn (Komitat Bacs-Kiskun) hergestellt wurde.
OT: mein Hintergrund: seit Mitte der 70er forsche ich zum Thema Musikinstrumente, war viele Jahre im Nebenberuf Lehrer für \"Musikinstrumentenbau in therapeutischen und pädagogischen Arbeitsfeldern\"; Ich kann auf eine umfangreiche Bibliothek (über 1000 Bücher zu Musikinstrumenten) im Haus zurückgreifen und tue es auch. LG Axel
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: hinnerk am 30. Mär 2013, 10:55:18
Jetzt sehe ich was ich vergessen habe: Die Frequenzwerte betreffen die Unterscheidung zum Ton bei der nicht gegriffenen Saite
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: wwelti am 30. Mär 2013, 11:08:43
Hallo Axel,

Aber wir haben heute doch gar keine mitteltönige Chromatik, sondern gleichstufige. Mitteltönige Stimmungen waren (bis) zu Bachs Zeiten üblich. Dann folgte allmählich der Übergang zu den (wohl)temperierten Stimmungen (z.B. Werckmeister). Als das Cithrinchen gebaut wurde, waren mitteltönige Stimmungen sicher noch weit verbreitet.

Die Frequenzwerte die Du angegeben hast sehen aus wie Abweichungen in Cent. Was für eine Tabelle ist denn das? Mit dem Cithrinchen stimmt sie ganz gewiß nicht überein. Auch die Abstände nicht.
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: hinnerk am 30. Mär 2013, 12:00:11
Hallo Wilfried, Du hast natürlich recht. Vor lauter immer wieder verbessern, verkürzen, ergänzen schleichen sich Flüchtigkeitsfehler ein, und so zuhause bin ich nicht in den altenStimmungen, muß immer wieder nachlesen, weils nicht mein Thema ist. Die Frequenzwerte sind in Cent. Die untersuchte Zister ist aus Brescia, um 1590, unsigniert, Inv. Nr 613 im Grassi-Museum Leipzig.
Das Hamburger Cithrinchen aus der Sammlung ist als Kriegsverlust gekennzeichnet. Man müßte ein vorhandenes vermessen oder entsprechende Vermessungsprotokolle abfragen soweit vorhanden. Könnte dann aber auch was kosten, denn solche Untersuchungen/Vermessungen sind aufwendig. Ich hatte erst vor kurzem für ein Museum ein \"Machete\" von Octavianno Nunes vermessen (in etwa baugleich mit dem von John King). Er hatte es damals in Wien gekauft und von David Mean nachbauen lassen, Du weißt Bescheid.
LG Axel
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: wwelti am 30. Mär 2013, 12:09:23
Danke, Axel. Wir betreiben hier ja keine präzise Wissenschaft, sondern versuchen nur ein grundsätzliches Verständnis zu erlangen. Eine zertifizierte(?) Vermessung von einem teuren Spezialisten brauchen dafür bestimmt nicht.

Präzise zu vermessen, wie die Intonation des Cithrinchens damals war, halte ich sowieso für unmöglich, da die Intonation immer auch stark von den Saiten abhängig ist -- und die Saiten von damals sind wohl bestimmt nicht mehr vorhanden (bzw. wenn doch, dann unbrauchbar).

Die Abstände der Bundstäbchen zu vermessen halte ich für kein Hexenwerk, genau gesagt finde ich schon das Foto das wir hier haben, aussagekräftig genug für eine ganz grobe Einschätzung. Soviel wird klar: Eine gleichstufige Stimmung wurde hier gewiss nicht erzielt. Das halte ich bei dieser Bundierung für ausgeschlossen.

Die Machete von Nunes hatte wohl eine deutlich gleichmäßigere Bundierung. Dave Means hat ganze Arbeit geleistet bei seinem Nachbau, finde ich -- sie klingt fantastisch! :)

Viele Grüße
  Wilfried
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: hinnerk am 30. Mär 2013, 13:07:31
Hallo Wilfried, wenn wir exakte Wissenschaften betreiben wollten, befürchtet grade meine Frau, würde hier der Esszimmertisch voller Bücher sein, ich habe wirklich einiges zum Thema (Stimmung, Saiten, Instrumente), nur scannen kann ich leider nichts. Aber mit jeder weiteren Illustration wird mir klar, daß diese Art der Bundierung ganz normal war, neben einer chromatischen, die mir auch immer wieder mal begegnet. Peter Forrester hat mal einen Bericht für die Lute society geschrieben, im Buch \"Die Laute in Europa Teil 2\" ist er eingearbeitet mit einer Graphik über die Bundierung bei Zistern (Cittern), die ist auch im Netz zu finden unter: http://www.cittern.theaterofmusic.com/articles/fretting.html  Anhand dieser Graphik werden die Unterschiede zur vertrauten Bundierung deutlich. Peter Forrester hat noch mehr zur Zister publiziert.
Der (die) machete von Nunes war eine wahre Freude trotz des schlechten Zustandes. Inzwischen habe ich die Daten auch an Claus weitergeben dürfen, vielleicht hat er in absehbarer Zeit mal die Zeit, sich an einen Nachbau zu machen.
LG Axel
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: wwelti am 30. Mär 2013, 16:00:09
Hallo Axel!

Ich denke wir sollten nicht die chromatische Bundierung, die jedoch nach heute unüblichen Stimmungen ausgerichtet ist und deshalb ungewöhnliche Bundabstände aufweist, mit den diatonischen Bundierungen durcheinanderbringen. Zwar zeigen sich in beiden Fällen \"merkwürdige Muster\" in der Bundierung, aber es handelt sich dennoch um zwei unterschiedliche Phänomene.

Das 3. Fretting Pattern ist offenbar so eine chromatische Bundierung. Interessant finde ich die Doppel-Linien. Alternative Bundpositionen je nach Enharmonik?

Ein Nachbau einer Nunes-Machete, das fände ich verlockend, muß ich zugeben.

Viele Grüße
  Wilfried
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: hinnerk am 30. Mär 2013, 17:21:34
Hallo Wilfried, ich wollte die beiden Bundierungen nicht durcheinander bringen. Ich kenne die Unterschiede. Der Begriff \"teildiatonische Bundierung\" stammt aus der Fachliteratur, den hab ich nicht erfunden. Inzwischen habe ich im Katalog \"Tage Alter Musik Herne, 1997, Gestrichen und Gezupft\" im Aufsatz von MICHEL zur Zister den Ausdruck \"teilchromatische Bundierung\" gefunden. Der stellt das Phänomen sozusagen von der anderen Richtung aus dar. Paßt also zu Deiner Anregung hier nichts durcheinander zu bringen. Sicher findet sich irgendwann ein dritter Begriff.
Das mit dem Nunes Nachbau fänd ich auch ganz toll, deshalb hab ich mich in dieser Sache ja mit Claus in Verbindung gesetzt. Nur ist im Moment wenig Zeit für solche Feinen Sachen. Die DetailFotos zeigen übrigens auch trotz aller Schäden, was Nunes da für ein tolles Instrument gebaut hat, auch vom Entwurf, den Proportionen und vielen Kleinigkeiten her. Vielleicht ergibt sich mal ein Treffen wo ich Dir die Fotos zeigen kann.
LG Axel
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: Tuke am 30. Mär 2013, 19:10:42
Mir ist die Sache jetzt zu hoch, ich komme nicht mehr mit, auch nicht mit
Einzelunterricht... :mrgreen:

Prof. Hellweg hat mich eben angerufen und mit großer Freundlichkeit & Geduld
die Sache erklärt.
Den professoralen Vortrag zusammenzufassen fällt mir schwer, zumal
die Einleitung lautete: \"Die Frage ist kaum zu beantworten...\"

Er hat es dann trotzdem versucht und mir auch den entscheidenden Hinweis
gegeben: Es hat mit MITTELTÖNIGKEIT zu tun! (Er empfahl mir, das mal bei Wikipedia nachzulesen...)

Eine Seite habe ich gefunden, auf der das Thema einigermaßen nachvollziehbar
abgehandelt wird und auch ein Instrument mit so eigenartiger (eigentlich noch
schlimmerer) Bundierung abgebildet ist:

http://www.accordsnouveaux.ch/de/Warum/Mitteltoenig/Mitteltoenig.html

Zum Schluss:
Die von mir beobachtete \"vierchörige\" Saitenanordnung solle ich vergessen:
Die Metallstifte auf dem Foto seien nicht original. Im Original sei dort ein Saitenhalter
angebracht der auch ein Holzbrettchen auf vier der fünf Chöre beinhalte, mit dem
\"Wah-Wah-Effekte\" möglich gewesen seien.


Edit 22:15 Uhr: Habe jetzt noch mal nachgelesen,
@Termi: Du hast ins Schwarze getroffen.
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: wwelti am 30. Mär 2013, 19:53:35
Vielen Dank, Tuke. Also tatsächlich mitteltönige Stimmung! Allerdings muß der Kompromiss wohl doch beträchtlich sein... jetzt müsste noch jemand stilecht mit dieser Stimmung spielen können, so daß es so klingt, wie es soll!

Viele Grüße
  Wilfried
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: hinnerk am 31. Mär 2013, 10:57:38
@Peter: Danke für die weiteren Informationen. Nur hab ich mich beim letzten Bild doch ablenken lassen. Danach legte ich alle Bücher zur Seite. Sie stehen wieder im Regal. Ein Buch das sich sehr konkret mit den Stimmungen und speziell für Lauten und Gamben beschäftigt ist von Mark Lindley (1985, 1990). Jetzt ist aber genug. Beruhigend für mich, daß auch ausgewiesene Fachleute da an ihre Grenzen geraten. Und tröstlich für mich, daß auch bei Dir der Text abstürzt, mir passiert das öfters und ich krieg die Krise, weil ich denk ich bin der Einzige. LG Axel
@Wilfried: In den 70ern hatte ich eine Lautenphase und beschäftigte mich mit den Stimmungen. Lange her. In der Lautenszene wirst Du am ehesten annähernd authentische Klangwelten finden. Damals wurde in alle Richtungen probiert und experimentiert. Ich erinnere mich an einen Workshop und die vielen Klang-Nuancen, die mit nur wenig Veränderung möglich waren. Eigentlich ist es noch komplizierter als wir bisher waren. Aus der Zeit habe ich noch eine zehnchörige Renaissance-Altlaute, kann ja mal wieder ein bißchen Bünde rumschieben und hören. LG Axel
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: wwelti am 31. Mär 2013, 23:06:55
Stimmt, das mit den verschiebbaren Bünden bei Lauten hat mich schon immer fasziniert. Eigentlich finde ich Lauten generell toll. Aber eine gute Laute ist freilich auch ein Kostenfaktor, und Zeit muß man für so ein Instrument auch haben. Naja, vielleicht irgendwann mal... eine vierchörige Diskant-Laute in Ukulelen-Mensur. ;)
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: hinnerk am 01. Apr 2013, 08:19:53
Hallo Wilfried, schweift zwar etwas vom Thema ab, aber trotzdem: 1979 hatte ich mir eine Laute von Hans-Herrman Herb bauen lassen. So eine Laute braucht viel Zeit und Zuwendung. Das hatte ich unterschätzt und wurde ihr auf Dauer nicht gerecht. Die letzten zehn Jahre war sie als Dauerleihgabe bei einem Lautenisten in Salzburg, der hat sich jetzt anderweitig orientiert und die Laute ist wieder bei mir. Da ich sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr spielen werde, habe ich zwei Optionen: entweder wieder zuverlässig verleihen oder verkaufen. Hättest Du Lust auf eine der Möglichkeiten, das weitere müßten wir per PN ausmachen. LG Axel
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: Feinstimmer am 01. Apr 2013, 10:07:00
Habe die Ehre!

Lieber Wilfried, solltest du ernsthaft mit dem Gedanken spielen, eine Laute zu erwerben, dann empfehle ich dir die Instrumente von Dieter Schossig.
Hier seine Website: http://www.schossig-lautenbau.de/

Es grüßt recht artig, Gregor
Titel: Unregelmäßige Bund-Abstände. Warum?
Beitrag von: wwelti am 01. Apr 2013, 11:04:22
Danke für eure sehr netten Vorschläge und Angebote. Aber wie Axel schon sagt: So eine Laute braucht viel Zeit und Zuwendung -- und so viel Zeit habe ich im Moment einfach nicht (auch wenn ich sie gern hätte! ;) ). Vielleicht sieht die Sache in ein paar Monaten besser aus (hoffe ich).

Viele Grüße
  Wilfried
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