Review Highway 49 - Tenorgitarre

Begonnen von Guchot, 10. Dez 2012, 09:33:16

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Guchot

Wieder mal das Vorwort: ich sehe mich nicht als Ukulelen-Spezialist und meine \"Reviews\" sind alle höchst subjektiv und nicht unbedingt von Fachwissen begleitet. Ich schreibe einfach nur auf was mir persönlich an den Instrumenten auffällt, gefällt oder eben nicht gefällt.

Zuerst mal eine kleine Erklärung zur Tenorgitarre, für die, die das Instrument nicht kennen. Die Tenorgitarre wurde in den 20ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erfunden, um den Banjospielern eine leichteres umsteigen auf die Gitarre, bzw. den Klang der Gitarre zu ermöglichen. Sie ist quasi eine Kreuzung aus dem Hals eines Banjos und dem Korpus einer Gitarre. Die ursprüngliche Stimmung war dann auch die vom Tenorbanjo her bekannte Stimmung in CGDA, aber auch andere Stimmungen waren gebräuchlich, wie CGBD, die \"irische\" Varinate in GDAE oder die von der Bariton-Uke bekannte DGBE-Stimmung, die im Bereich Tenorgitarre gerne als \"Chicago-Tuning\" bezeichnet wird (uuuuuuuh, coooool :mrgreen:). Die Tenorgitarre ist mit der Bariton-Ukulele eh recht eng verwandt. Die Stimmung und die Anzahl der Saiten sind gleich. Allerdings sind die Saiten einer Tenorgitarre grundsätzlich aus Stahl, nicht aus Nylon. Die Mensur ist.... manchmal ähnlich :mrgreen:... Bariton-Ukulelen halten sich meist relativ genau um den Bereich von 20\" herum auf. Tenorgitarren wurden ab 20\" (was ca. 51cm entspricht) gebaut. Hier ist der Weg nach oben aber offen. Die Tenorgitarre mit der längsten Mensur die ich selbst kenne, ist die \"Peter Kraus\" Gitarre, die mit 68cm schon einer Gitarren-Standardmensur entspricht. Auch vom Korpus her gibt es Unterschiede. Bariton-Ukulelen sind im Vergleich zu einer Gitarre recht zierlich. Tenorgitarren fangen auch bei dieser Größe an, können aber auch durchaus einen größeren Korpus haben. Viele Hersteller benutzten für Tenorgitarren den selben Korpus wie für ihre sechssaitigen und setzten lediglich einen anderen Hals an, was bei den dicken fetten Jazz-Mamas machmal optisch etwas seltsam wirkt. Seit den 1960ern ist die Tenorgitarre aber fast in der Versenkung verschwunden. Auch wenn es immer mal den einen oder anderen Hersteller gab, waren es absolute Exoten. Heutzutage reiten die Tenorgitarren scheinbar ein wenig auf der Ukulelenwelle mit, denn das Angebot scheint sich langsam wieder etwas zu vergrößeren.

Genug der Historie, wer mehr wissen möchte dem sei der entsprechende Artikel bei Wikipedia ans Herz gelegt ;)

Ich persönlich bin immer schon ein Fan von Stahlsaiten gewesen, von daher nenne ich schon 4 Instrumente welche die Bezeichung \"Tenorgitarre\" verdienen mein Eigen. Zum einen meine Resonator \"Douglas\", meine Eichenukulele \"Leila\" (die aber noch auf ihre OP wartet um irgendwann wieder spielbar zu sein), eine kleine Tenorgitarre aus England und meine \"Peter Kraus\" Gitarre. Fasziniert hat mich aber auch seit \"Brothers in Arms\" von den Dire Straits die Resonatorgitarre mit Metallkorpus. Und hier fängt das Review erst richtig an, denn bei der Highway 49 handelt es sich um genaus sowas ;)

Highway 49 Tenor Guitar

Das Instrument wird in China hergestellt und von \"Republic Guitars\" in den USA vertrieben. Republic läßt wohl nach eigenen Vorgaben in immer derselben chinesischen Firma fertigen. Die Meinung dazu sind, wie immer im Internet, recht unterschiedlich. Manche Leute meinen die Instrumente kämen durchaus an die Nationals ran, andere bezeichnen sie als Schrott. Naja, ich kann nicht mit National vergleichen, hatte noch nie eine in der Hand, aber die Soundbeispiele im Internet haben mich durchaus überzeugt. Deswegen haben ich mir das Instrument bestellt. Leider geht das nur in den USA dirket (ich hab jedenfalls keinen europäischen Händler gefunden, außer Herrn Attenberger in Bayern, der aber zur Zeit wohl nicht aktiv ist), was zum einen eine ordentliche Wartezeit, zum anderen ebenso ordentliche Einfuhr- und Zollgebühren nach sich führt. Soviel sei mal direkt vorweg gesagt: Der Preis von 699,-$ sieht zwar auf den ersten Blick relativ günstig aus, aber durch Versand und Zoll ist man in Wahrheit mit rund 800,-€ dabei. Bestellt habe ich das Instrument am 28.11., in der Hand hatte ich es (nach einigen Diskussionen mit dem Zoll) am 07.12. Anderthalb Wochen für Versand aus den USA ist kein schlechter Wert. Schade nur das durch die Tatsache das man die Pakete am Zoll öffnen muß, der schöne \"frohe Weihnachten\" Effekt beim Auspacken zuhause entfällt  :?

Das Instrument wird in einem \"Featherlight Case\" geliefert. Kein richtiger Koffer, aber schon deutlich mehr als ein Gigbag. Es handelt sich quasi um eine Hartschaumform um die dann kein fester Kunstoff gebaut ist, sondern lediglich Stoff gespannt ist. Sehr ähnlich den \"Koffern\" in denen die Johnson-Resos ausgeliefert werden. Die Gitarre sitzt in dem Koffer \"saugend\" drin. Ist gar nicht so einfach die da raus zu kriegen, was mich vermuten läßt das der Koffer ursprünglich für eine andere Gitarre entworfen wurde. Aber er paßt halbwegs und schützt ganz gut.

Nun werfen wir mal einen ersten blick auf das Instrument....





Geschmäcker sind ja (zum Glück) verschieden, aber mir gefällt das Instrument von der Optik her unglaublich gut.

Auch die Rückseite weiß zu begeistern ;)



Was als erstes auffällt ist das enorme Gewicht der Gitarre im Vergleich zu einer Ukulele. Hier ist spielen ohne Gurt zumindest im Stehen so ziemlich unmöglich. Schade das Republic der Highway 49 nur einen Gurtpin am unteren Ende spendiert hat und keinen zweiten am Halsfuß. Da wird Papa wohl in abesehbarer Zeit mal zum Bohrer geifen müssen... Ansonsten macht die Highway 49 einen sehr soliden und gut verarbeiteten Eindruck. Der Kopf hat einen schönen \"slotted Headstock\" (ich mag sowas) und stabil wirkende Einzelmechaniken. Der Hals ist gerade und, wie bei Gitarren mit Stahlsaiten üblich, mit einem Trussrod versehen um ihn einstellen zu können. Die Bundstäbe sind sauber eingesetzt und stehen nirgends über. Das Material des Halses ist Mahagonie. Der Übergang zum Korpus ist im 14. Bund. Der Korpus selbst ist im Vergleich zu einer Ukulele (selbst zu einer Baritonukulele) sehr voluminös. Möglicherweise ist das dem verwendeten Continental Cone geschuldet, irgendwie muß man das Biest ja unterbringen ;) Ich habe leider nirgendwo Angaben zum Durchmesser des Cones gefunden und selber nachmessen möchte ich nicht ;) Ich messe vielleicht bei Gelegenheit mal die Coverplate, das dürfte dann schon Rückschlüße zulassen. Der Korpus ist 43cm lang, oben 23,5cm und unten 30,5cm breit. Die Tiefe beträgt 7,5cm. Wo wir gerade bei den Maßen sind: Die Sattelbreite beträgt 38mm, die Mensur 56cm. Da es sich im Original um Zoll-Maße handelt, sind das alles ca. Angaben.

OK, dann laß uns das Baby mal in den Arm nehmen... Direkt beim ersten Mal war ich positiv überrascht. Die Gitarre liegt satt im Arm und auch die Mensur, obwohl eigentlich ja ne Ecke länger als bei Baritons, macht mir genausowenig Problem wie der etwas schmalere Hals. Fühlt sich gut an :) Die Saitenlage ist angenehm. Nicht extrem flach, das wäre für Slidespiel kontraproduktiv, aber gut spielbar. Das Stimmen gelingt dank der sauber arbeitenden (und natürlich übersetzten) Mechaniken einfach und präzise. Klar, das Ding ist Anfangs gut durchgekühlt und muß sich erstmal an die Temperatur anpassen. Für den ersten Soundcheck habe ich sie deshalb erstmal 2 Stunden liegen lassen.

Der erste Soundcheck führte allerdings nur zu verhaltener Freude... Strumming ist nicht so die Welt der Highway 49, das hat sie aber mit wohl den meisten Resonatorinstrumenten gemein, aber auch beim Picking kam nicht ganz das heraus das ich mir erwartet hatte. Klanglich nicht schlecht, aber so ein wenig dumpf und auch nicht so laut wie ich erwartet hatte. Also nicht wirklich schlecht, aber die Gitarre blieb doch etwas hinter dem zurück was ich mir erwartet hatte. Nichtsdestotrotz habe ich mal ein Video damit gemacht das ihr hier finden könnt:

Ich han nen Deckel

Leider etwas zu früh, wie ich feststellen mußte ;) Denn das Baby kommt erst richtig in Fahrt wenn man mit Plektrum oder Fingerpicks spielt. Dann kommt die erwartete Lautstärke und der Klang verändert sich auch nochmal immens. Mit nackten Fingern kriegt man einfach nicht genug Power auf die Saiten um den Cone ordentlich ans arbeiten zu kriegen. Ich werde demnächst mal ein entsprechendes Video veröffentlichen. Momentan bin ich aber mit den Fingerpicks einfach noch zu unsicher.

Fazit (persönlich und extremst subjektiv)
Die Highway 49 ist ein absoluter Exot und wirklich nur etwas für Liebhaber, die wissen worauf sie sich einlassen. Man bezahlt relativ viel Geld für ein Instrument das sich allein durch den Klang nur in wenigen Bereichen wirklich gut einsetzen läßt. In erster Linie natürlich beim Blues. Bluegrass und Country gehen auch noch. Alles andere wirkt dann schon recht eigenwillig ;) Die Verarbeitung ist einwandfrei, die Handhabung klasse. Der Klang ist (Plek oder Fingerpics vorausgesetzt) sehr laut und klar mit dem typisch metallischen Unterton. Für mich persönlich ist das Instrument genau das was ich gesucht habe, für den gelegentlichen Bariton-Spieler aber eher nicht zu empfehlen, zumal die 13er Stahlsaiten auch nicht ganz so leicht zu greifen sind wie Nylonsaiten ;)

Wie gesagt, sobald ich die Fingerpicks besser im Griff habe, gibt es ein weiteres Video und zum Kölner Stammtisch im Januar bring ich das Baby auch mit.

Fragen? Fragen! :)

Linho

#1
Hi Guchot,

interessantes Review, hab sowas noch nie gesehen. Gefällt mir vom Klang her am Video. Gratuliere dazu! :)

So einen Koffer hat meine Kanile\'a auch dabei gehabt, eigentlich ein guter Kompromiss aus Gewicht und Schutz. :D

A Propos Gewicht: Hast du die Gitarre schonmal gewogen? Es würde mich interessieren, wieviel die wiegt. ;)

LG
Linho

Floh

Uuuiii, Guchot,

da hast Du Dir ein optisches, wie klangliches Goldstück gegönnt.
Viel Spass mit dem Instrument.

Guchot

Zitat von: Linho...A Propos Gewicht: Hast du die Gitarre schonmal gewogen? Es würde mich interessieren, wieviel die wiegt. ;)...

Nee, ich hab keine Waage, die Dinger lügen immer :mrgreen: Muß mal bei meiner Maus nachfragen ob die sowas im Bestand hat, dann sag ich Bescheid.

ibongo

Schönes Instrument und Video. Danke für die Vorstellung. Viel Spaß damit, Guido.
Ho'omaluhia

jazzjaponique

Schönes review, herzlichen Glückwunsch, passt gut zu Dir das Teil.

ukeman1

Gratuliere Dir, die sieht Klasse aus!

Toll das Du so ein ausführliches Review geschrieben hast!
Viel Spass mit der Reso-/Tenorgitarre!

Gruss Sascha
Musik muss nicht perfekt aber echt sein.....

Tuke

Tolles Teil, herzlichen Glückwunsch!
"Die Normalität ist eine gepflasterte Straße: Sie ist bequem zu gehen, aber auf ihr wachsen keine Blumen." - Vincent van Gogh

Bauschi

Klang und Aussehen echt super. Bin schon auf Weiteres gespannt.

torstenohneh

Kommentar habe ich ja direkt auf YT geschrieben. Aber ich finde deine ausführlichen Reviews immer sehr toll. Du nimmst dir immer sehr viel Zeit um uns deine \"5 Cents\" mitzuteilen. Das finde ich schon sehr wertvoll.
Verfechter der tiefen G-Saite und bekennender Ukulelenpolygamist