Bass-\"Ukulele\" in der Klemme

Begonnen von Ukebass, 04. Feb 2008, 16:17:47

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Ukebass

...................... oder wie ein großes Meisterwerk entsteht.

Die letzte Woche habe ich bei meinem Geigenbauer zugebracht. Aus diversen Gründen war es notwendig geworden, meiner großen Bass-\"Ukulele\" eine neue Decke zu verpassen. Mit der Hilfe des großen Meisters habe ich dieses Vorhaben auch mit großem Erfolg abschließen können.
Nicht unbedingt einer der kritischsten, aber mit Sicherheit einer der optisch spektakulärsten Momente, ist das Aufleimen und anschließende Verzwingen der neuen Decke. Ganze 54 Zwingen halten die Decke dort, wo sie dann für die Zukunft ihr Werk tun soll:



Dank den Bemühungen des Geigenbauers, handelt es sich bei der Decke um eine feinjährige Haselfichte. Decken in dieser Art kommen, aufgrund der notwendigen Größe, bei Kontrabässen sehr selten vor. Jetzt kann ich nur hoffen, daß die Decke sich in der Einspielzeit in die gewünschte Richtung entwickelt.

Gruß Michael

Caruso

Ein faszinierendes Bild. Alles Gute für die weitere Entwicklung.
Da werfen sich mir als neugierigem Laien einige Fragen auf - schließlich ist das ja doch eine beeindruckende, recht aufwändige und davon abgesehen kostspielige Reparatur bzw. Überholung.
Falls Du etwas dazu schreiben magst, würde ich gerne noch weiteres darüber lesen.

Fischkopp

Sieht sehr schön aus die Fichtendecke. Wie wird die Oberfläche danach weiter behandelt ?

Bernd
https://www.youtube.com/user/BerndDombrowski (Eigene Lieder, Traditional, Ärztelieder usw.  171 Videos)
https://www.youtube.com/user/RollinUke#g/u (Gecoverte Lieder 302 Videos)

Ukebass

#3
Danke für euer Interesse.

Über die Operation \"Neue Decke\" könnte natürlich noch viel geschrieben werden.  Ich probiere mal mit einigen Erklärungen das ganze Problem zu umreißen.
Die Decke eines Streichinstrumentes wird aus einem massiven Stück Holz herausgearbeitet, also nicht, wie  vielfach angenommen wird, gebogen. In der Regel wird die Decke vorgefräst und dann in Handarbeit ausgearbeitet, wobei der Löwenanteil der Arbeit auf der Innenseite geschieht, also später nicht mehr sichtbar ist. Das Abrichten der Decke erfolgt zunächst mit kleinen Hobeln. Hier ein Bild vom Bau meiner ersten Decke:



Der Hobel hat eine Länge von ca. 3 cm. Entscheidend ist, das die Decke auf unterschiedliche Stärken heruntergehobelt werden muß, so von ca. 4mm bis auf 7mm, mit fließenden Übergängen. Im folgenden Bild (Innenaufnahme meines damaligen Kontrabasses) läßt sich die unterschiedliche Deckenstärke aufgrund des durchscheinenden Lichtes (Decke ist oben, die hellsten Stellen sind allerdings die Schallöcher) erkennen. Zusätzlich sieht man oben den Bassbalken und stehend den Stimmstock.



Vereinfacht kann man sagen, daß die Decke am äußeren Rand am dünnsten ist und zur Mitte hin immer dicker wird.
Nach dem Hobeln wird die Innenseite abgezogen und anschließend geschliffen. Dann erfolgt die Anfertigung des Bassbalkens, der exakt die Wölbung der Decke bekommen muß. Nach dem Anbringen der F-Löcher, folgt die Aufleimung des Bassbalkens. Jetzt ist die Decke so weit, daß sie auf den Korpus geleimt werden kann.
Was fehlt noch? Abfräsen der Außenkante, fräsen der Binding-Nut, anfertigen, einleimen und abrichten des Binding.

Oberflächenbehandlung: Zunächst einmal schleifen bis 800 Körnung, grundieren mit Gelantine, beizen, hartölen, hartwachsen, polieren, hartölen, hartwachsen, polieren ................... bis es gefällt.

Das sollte nur ein kurzer Abriß des ganzen Vorganges sein. Es fehlen noch viele Arbeitsschritte und auch hier steckt der Teufel im Detail. Was die Kosten angeht, so bewegen sie sich irgendwo bei 700 Euro. Tja, großes und aufwändiges Instrument bedeutet auch hohe Kosten.  

Gruß Michael

Earlyguard

Vielen Dank für den schönen und lehrreichen Bericht! :D

Ich finde es immer wieder faszinierend, was Handwerk leisten kann!
Es ist für mich eher eine Kunst!

Viele Grüße
Thomas

..

Caruso

Vielen Dank, UKEBASS, sehr interessant, wirklich. Ein Thema, dem ich beizeiten einmal nachgehen werde.
(Nebenbei: Ich habe wirklich Bauklötze gestaunt bei der Vorstellung, dass der Hobel nur 3cm lang ist (niedlich).)

Ukebass

ZitatEs ist für mich eher eine Kunst!

Thomas, das habe ich die letzte Woche auch laufend so empfunden, obwohl ich das Geschäft nicht zum ersten Mal gemacht habe. Immer wenn ich meinen Anteil erledigt hatte, war es immer wieder erstaunlich, mit welch wenigen, aber effektiven Handgriffen der Meister meine Arbeit noch ausgeglichen oder in die Feinform gebracht hat. Aber er ist schließlich der Meister und ich der Gelegenheitsinstrumentenbauer. Auch in den Gesprächen kam immer wieder das Jahrhunderte alte Wissen durch.

@Caruso. Für die Decke von Geigen werden Hobel verwendet, die bis zu 5mm klein sind. Bei denen hat man schon Probleme, sie richtig anzufassen.

@Goschi-Peter. Es ist sehr wahrscheinlich, daß der abgebildete Stimmstock sogar aus Kitzingen stammt.

Gruß Michael

Caruso

Ich muss zugeben, dass mir die Existenz von Stimmstöcken bislang unbekannt war. (Ich habe mich erstmal bei Wikipedia ein wenig schlau gemacht.)
Es ist ja nicht so, dass ich behaupten würde, dass ich den Instrumentenbau bislang wesentlich unterschätzt hätte, aber schon wenn man so einen kleinen Einblick bekommt, deutet sich doch eine erhebliche Tiefe des Themas an.
Schade, dass man kaum die Möglichkeit hat, bei dem Entstehen eines solchen Instrumentes zuschauen zu können.
Vielen Dank noch mal, UKEBASS!