Praktikum bei Bugle-Ukulelen

Begonnen von A_Dent, 21. Okt 2016, 19:31:32

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A_Dent

Freiwilliges Praktikum bei Bugle-Ukulelen, ein Bericht

Das Bewerbungsverfahren
Ich so:      ,,Ich würde bei dir auch mal ein Praktikum machen und die Werkstatt fegen"
Bugle so:   ,, Geht klar, wann hast du Zeit, Ende September , läuft, ich freu mich"

Die Befürchtungen vorab
•   Oh Gott, ich platz da einfach in die Familie rein, hoffentlich stör ich da nicht.
•   Von seinen handwerklichen Fähigkeiten liegt Bugle bei geschätzten 1000%,  ich selbst komme an guten Tagen vielleicht auf 80%, hoffentlich mache ich mich nicht zum Honk. Vor meinen Augen seh ich schon das Abschiedszenario am letzten Tag, schön dich kennengelernt zu haben, ich wünsch dir alles Gute für dein weiteres Leben, leb wohl.

Begrüßung
Klingeln war nicht nötig, ich wurde schon erwartet. Nachdem  ich meinen kubischen Kleinwagen tetrisartig in eine freie Grundstücksecke eingefügt hatte, die Basics. Kaffeemaschine, Kühlschrank (frag nicht, nimm einfach was du magst), ein Badezimmer nur für Männer(seufz), das Gästezimmer. Nach dem ersten von vielen weiteren braunen Warmgetränken der Eintritt in die heiligen Hallen, mit einem paradiesartigen Eingangsbereich ( für den, der auf Zweiräder, speziell auf italienische Scooter der 80er Jahre steht) 

Die Werkstatt
Sind schon klein, die beiden Räume, der Maschinenraum  könnte größenmäßig in die Kulisse von ,,Das Boot" passen, hoffentlich muss ich nicht den Gesang von Grönemeyer erleiden. Die Werkstatt etwas größer, alles ist pico bello aufgeräumt, jedes Werkzeug besitzt einen festen Platz, alles ist sauber und ordentlich beschriftet, Ehrfurcht kriecht in mir hoch.     

Es geht los, Lehrtage sind keine Herrentage
Es wird eine neue Form für Soprano-Ukulelen benötigt, die Challenge besteht aus den Teilen bandsägen, bohren, stichsägen, schleifen und oberfräsen. Nach kurzer Einweisung geht's los, mach du mal. Keine Kontrolle im Minutentakt, keine Belehrungen, stattdessen friedliche Koexistenz, jeder werkelt vor sich hin. Muss natürlich jede Menge fragen, hab ja keine Ahnung vom Instrumentenbau. Bugle erklärt alles sehr geduldig, keine Spur von Augenrollen oder aufkeimender Aggression. 

Die Werkstatt, Teil 2
Alleine die überlegte Einrichtung der Werkstatt und die unzählbaren Vorrichtungen für den Ukulelenbau, wäre an sich schon ein vollwertiges Hobby. Das ganze dient dann aber der übergeordneten Aufgabe, feinste Saiteninstrumente Made in Solingen herzustellen. So langsam kann ich verstehen, warum diese Stadt an der Wupper seit jeher für handwerkliche  Qualität steht. (Und lange schallt's aus der Werkstatt noch, Salamander lebe hoch, Oh sorry, ein Rückfall ins Infantile)
Der Werkzeugpark besteht aus exzellenten Markengeräten, mit denen es eine Freude ist, zu arbeiten, kein billiger Discounterschrott oder irgendwelche Schnapper aus der 20%-auf-Alles –Ära.


Die weiteren Praktikumstage im Schnelldurchlauf
Da ich zum schwafeln neige, hier die weiteren Erlebnisse im Schnelldurchlauf, denn genauso schnell ist die Zeit verflogen. Ich hatte ganz vergessen, wie gut es tut, sich gedankenversunken einer Sache zu widmen, die wirklich Spaß macht.
Da passt ein Zitat aus einem Song eines großen Ukulelentrios vom linken Niederrhein :

,,Alter und Alltag sind vergessen und Nichts und Niemand kann uns noch stressen"

Kehren
JAAA, ich habe auch gekehrt, sogar mehrmals, da bin ich mir nicht zu fein für!

Griffbretter
Feinste, gemaserte Holzbretter werden vorgesägt, auf Form gefräst, dann werden mit einer Spezialvorrichtung die Stegschlitze gesägt. Der Meister bringt dann an den entsprechenden Bünden Ausfräsungen für die Aufnahme der Bundmarkierungen an, dann mein Waterloo, in die Ausfräsungen müssen intarsiengleich Holzstreifen eingepasst werden, Spaltmaß Null.
Meine handwerkliche Grenze ist erreicht, von den vielen Versuchen sind nur wenige brauchbar, der Meister macht so was Ruck Zuck, der Laie wundert sich nur.
Stücke von Bundierungsdraht werden grob abgelängt, mit feinen Gummihammerschlägen in die gesägten Griffbrettschlitze geklöppelt und dann abschließend mit einer weiteren Vorrichtung ins Griffbrett gedrückt. Die Überstände des Bundierungsdrahtes werden erst grob und dann, wen wundert's, mit einer Spezialfeile, fein gefeilt und verrundet .

Korpusbau
Bevor Boden, Decke und Zargen miteinander ,,verheiratet" werden, werden an die Zargen ,,Reifchen" mit Konrads Spezialkleber angebracht (kann man bei einem Blick durchs Schallloch (3L, komisch, aber neuerdings korrekt) erkennen. Da die Ukulelenbauer da son Gedöns draus machen und mit einem Zahnarztspiegel reinschauen, muss die Verklebung tippi toppi sein.
Entgegen meiner bisherigen Vorliebe, jede Verklebung mit reichlich Kleber zu fluten, darf hier nur so wenig Kleber genommen werden, damit durch die Fixierung mit 10 Millionen Leimzwingen kein überschüssiger Leim austritt.

Was sonst noch blieb    
Schleifen hab ich gemacht, dann noch schleifen und ich glaube, geschliffen hab ich auch.

!!! Diese Hobby ist auf keinen Fall für Stauballergiker geeignet !!!


Bild 1: Bugle an der oszillierenden Zylinderschleifmaschine

 
Viele Fragen zur Technik wurden mit viel Geduld beantwortet, ich glaube, ich habe sogar verstanden, warum die Seitenlänge kompensiert werden muss. (Bitte trotzdem nicht bei mir nachfragen, vielleicht hab ich es doch nicht so richtig kapiert)
Ein paar Stunden haben wir uns der Elektrik der Vespa gewidmet, die Italiener haben da ganz schön einen an der Waffel. Dann wurde unverhofft noch ein Lebenswunsch erfüllt (check), ich durfte eine kurze Strecke mit einer Ape fahren, das ist so ein italienisches Dreirad mit Ladepritsche und Vespamotor, son Ding, mit dem Alfredo immer die Pizza durch die Gegend schaukelt. Es besitzt nicht nur 4 Vorwärtsgänge sondern auch sage und schreibe 4 Rückwärtsgänge, grandios.


Bild 2: Es staubt und macht Spass, die Frisur sitzt


Danksagung
Ganz herzlich möchte ich mich bei Bugle und seiner Frau Heike bedanken, die mich für 3 Tage in ihrer Familie aufgenommen und mit hervorragendem Essen verköstigt haben.
Auch die ehrlichen Gespräche bis tief in die Nacht hinein, haben mir sehr gut getan und den ein oder anderen Denkanstoß gegeben.
Beim Abschied auf der Bank mit Kaffee und Zigarette dann die schönen Worte, die für mich wie Lob geklungen haben: ,,Du darfst wiederkommen."
Treffender als mit den folgenden Worten kann man die 3 Tage nicht zusammenfassen:

                             
  Für Körper und Seele, Ukulele

bierlaus

Sehr schöner Bericht. Ich bin auch stolze Besitzerin einer Banjolele von Bugle

Und wenn Du das erste eigene Instrument gebaut hast, bitte berichten!

Viele Grüße
Sylke

Anke

Da schließe ich mich an, sehr schöner Bericht, der Lust darauf macht, auch mal wieder zu bauen. Ich selbst habe gerade vor einer Woche an einem 1-wöchigen Ukulelenbau-Workshop teilgenommen und kann bestätigen, dass die Zusammenarbeit mit einem Fachmann Ehrfurcht, Bewunderung und auch gesunden Neid lehrt  8) Und geschliffen habe ich auch - sogar meine Finger wund  >:(  ;)

Viele Grüße von Anke

Bugle

Ein sehr schöner Bericht! Für uns (Heike und mich) waren das auch drei sehr entspannte und angenehme Tage; du warst ein extrem angenehmer Gast!

Es hält schon genau, wenn man(n) auf knapp 15qm den ganzen Tag zusammen verbringt und dann auch noch was Produktives auf die Reihe bekommen möchte. Mit Markus war das problemlos machbar - wir sind scheinbar sehr (werkstatt)-kompatibel. Ich würde mich freuen wenn wir so eine Aktion nochmal auf die machen würden- ich habe bestimmt noch was zu schleifen :P.

Tuke

"Die Normalität ist eine gepflasterte Straße: Sie ist bequem zu gehen, aber auf ihr wachsen keine Blumen." - Vincent van Gogh

skiffle

Oh ja. So würd ich`s dort auch vermuten. :-)
Kann mir nun lebhaft vorstellen,
dass so ein Praktikum bleibende Erinnerungen hinterläßt.
Schön darüber zu lesen!


Inge

#6
Ein schöner Bericht. Vielen Dank.
(Schreib mal ein Buch, ich glaub das les ich auch  :D)

Schön das es Euch allen Freude gemacht hat.

ukuyeti

Ja   A_Dent , was kannst du jetzt mit dieser Erfahrung machen?
Willst du Zuhause auch anfangen eine Ukulele zu "Basteln"?
Wenn ja dann berichte bitte hier im Forum  . . . bin immer gespannt wenn jemand etwas bastelt.

Ich sage "Basteln" immer bei Anfängern und Amateure, ich bin auch ein "Bastler", auch wenn ich
kein Anfänger bin  . . .  eben ein Amateur-Dilettant.

Auch ich durfte Praktikum machen und Werkstatt fegen  Anfang der 80er Jahren beim einem
Gitarrenbauer in Bönen bei Hamm und bei einem Geigenbauer in Dortmund.
Wunderbare erfahrungen!
Bin aber dann  immer ein "Bastler" geblieben.

Ja und du Bugle! du als Instrumentenbauer (eben kein Bastler mehr!) schön dass du den Leuten
diese Möglichkeit gibst so ein Handwerk mit zu erleben und etwas zu lernen!

Grüße aus Italien Ukuyeti