Saiten höher stimmen. Was passiert?

Begonnen von WS64, 11. Okt 2008, 19:54:41

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WS64

Fast rhetorische Frage: Warum sind Saiten unterschiedlich dick?
Antwort: Damit man ungefähr die gleiche Saitenspannung auf allen 4 (oder 6 oder wievielauchimmer) Saiten bekommt.

Aber rein theoretisch... wenn ich eine Low-G Saite nehme und auf High-G stimme, was passiert?
Zum ersten mal nachdenklich geworden bin ich Anfang Mai in Essen, als jemand genau das bei einer von Maiks Uken probiert hatte (mehr oder weniger erfolgreich, sowohl Uke alsauch Saite haben überlebt).

Früher habe ich mal gedacht, Saiten reissen, wenn man eine zu dicke Saite zu hoch stimmt, und habe mich immer gewundert, wenn jemand sagte \"dünne Saiten reissen schneller\". Ich ging immer davon aus, das dünne Saiten bei gleicher Tonhöhe nicht so stark beansprucht werden wie dicke und daher eher langsamer reissen.

Inzwischen bin ich da nicht mehr sicher...

Bei Gitarrensaiten ist mir mal aufgefallen, das zB die 99€cent 009er und 012er Thomannsaiten sich dadurch unterscheiden, das die jeweils dickeren im dünneren Satz auch vorkommen, aber für die jeweils eins tiefere saite, d.h. hier wird mit einer Quarte Unterschied kalkuliert für ein und dieselbe Saite.
12er: 53 42 32 24 16 12
09er: 42 32 24 16 11 9

Kann ich eine Saite so hoch stimmen wie ich will, und das was ich womöglich dabei zerstöre ist nicht die Saite sondern das Instrument?

Ich frage nicht weil ich ein Instrument eine Oktave höher stimmen möchte als üblich, sondern ob es schadet, wenn ich bei Open Tunings eine oder zwei Saiten mal ein paar Halbtöne höherstimme, als eigentlich vorgesehen war. Und zwar auch eine eher dickere Saite für diesen Ton...

wwelti

#1
Hallo WS64,

Mich würde mal interessieren was für eine Low-G Saite das war, die das überlebt hat ... wohl kaum eine umwundene oder? Daß das jedesmal klappt würde ich nicht voraussetzen.

Es ist natürlich klar daß eine dicke Saite bei gleicher Saitenspannung stabiler ist als eine dünne Saite aus demselben Material. Die Zugkraft pro Querschnittfläche ist bei der Dicken schließlich wesentlich geringer. (Bei umwundenen Saiten darf man allerdings nur den Kern der Saite rechnen) Dicke Saiten werden also eine zu hohe Stimmung wahrscheinlich eher überleben als dünne.

Bei Open Tunings die Saiten mal ein paar Halbtöne höher zu stimmen ist im Allgemeinen kein Problem. Die meisten Saiten haben einiges an Toleranz. Wenn doch mal eine reißt hatte sie wahrscheinlich eine Schwachstelle.

Viele Grüße
  Wilfried

Fischkopp

Aus Erfahrung kann ich auch sagen , das das Höherstimmen von ein paar
Halbtönen bei Open Tunings kein Problem für die meisten Saiten darstellt.

Ich würde eher fragen ob der Hals auch dafür ausgelegt ist.

Ich hab erst kürzlich einen Bericht über die ersten Martin-Gitarren gelesen, die zu
einer Zeit gebaut wurden als es nur Darmsaiten gab.
Als dann Sammler ihnen Metallsaiten aufzogen ist das den Hälsen
überhaupt nicht gut bekommen.
https://www.youtube.com/user/BerndDombrowski (Eigene Lieder, Traditional, Ärztelieder usw.  171 Videos)
https://www.youtube.com/user/RollinUke#g/u (Gecoverte Lieder 305 Videos)

WS64

Zitat von: fischkoppIch würde eher fragen ob der Hals auch dafür ausgelegt ist.

Aus dem Wikipedia Eintrag über Telecasters:

ZitatDer Hals war im Gegensatz zur traditionellen Bauweise nicht mit dem Korpus verleimt, sondern verschraubt ... Vorteil dieser Konstruktion ist neben der vereinfachten Produktion die leichte Austauschbarkeit des Halses zu Reparaturzwecken. Fender ging sogar so weit, dass er bei der Konstruktion des Halses auf einen eingelegten Stahlstab verzichtete. Dieser Halsspannstab verhindert bei herkömmlichen Hälsen ein Verbiegen durch den Saitenzug und ist auf Gitarren mit Stahlsaiten nahezu unverzichtbar. Fender war jedoch der Meinung, dass Gitarristen defekte und verzogene Hälse der Telecaster einfach durch einen neuen ersetzen würden.

Irgendwann hat Fender das aber wohl eingesehen...

WS64

Zitat von: wweltiEs ist natürlich klar daß eine dicke Saite bei gleicher Saitenspannung stabiler ist als eine dünne Saite aus demselben Material.

Aber bei Gitarristen (sorry, ich kenne keine besseren Beispiele) wird immer davon gesprochen das zB eine 12er dünne E-saite seltener reisst als eine 8er.
Beim gleichen Ton (e) hat die 8er aber eine geringere Spannung als die 12er, von daher würde ich viel eher erwarten das die 12er reisst als die 8er...

wwelti

Die 8er hat eine geringere Spannung als die 12er, aber sie hat auch einen kleineren Querschnitt. Die spezifische Spannung (pro Querschnittsfläche) ist also im Endeffekt gleich.

Mike von D

Zitat von: wweltiHallo WS64,

Mich würde mal interessieren was für eine Low-G Saite das war, die das überlebt hat ... wohl kaum eine umwundene oder? Daß das jedesmal klappt würde ich nicht voraussetzen.


Es war eine Worth LowG Saite mit 0,91mm Durchmesser.

Jetzt weiß ich auch wer mein Instrument so maltretiert hat  :shock:  

maik

WS64

Zitat von: Mike von D
Zitat von: wweltiEs war eine Worth LowG Saite mit 0,91mm Durchmesser.

Jetzt weiß ich auch wer mein Instrument so maltretiert hat  :shock:  

Ich wars nicht! Ich hatte nur mitgekriegt wie Du es bemerkt hattest!

Mike von D

OK, dann tappe ich immer noch im Dunkeln.
Ist ja zum Glück nichts passiert!  ;)

Maik

Doc Aloha

Aloha kakou,

ich weiss nur: Die Jungs aus Hawai\'i nei nehmen für ihre Slack Keys die ganz normalen Saiten, denen die 2-3 Halbtöne nichts ausmachen. Gelegentlich stimmen sie ihre Instrumente auch während eines Gigs um.
Stahlsaiten haben eine höhere Spannung (Grundsätzlich? Ich denke schon).
Die Zupfinstrumentenbauer, die ich kenne, bauen grundsätzlich etwas zur Verstärkung in den Hals der für Stahlsaiten gebaute Instrumente ein - meistens einen Stahlstab, gelegentlich auch einen CFK-Stab.

Kanikapila!
Haole

moskeeto

#10
interessantes Topic.

Ich denke, so ein open Tuning sollte keine Problem sein. Notfalls kannst du eine Saite höher stimmen und die anderen etwas tiefer, so als Kompromiss. Also beispielsweise F#-H-D#-H für einen offenen H-Dur Akkord. Und da James Hill z.B. auch auf Tenor in D-Stimmung spielt und damit ja auch eine höhere Saitenspannung hat, müsste das doch gehen.

--
Etwas Offtopic:
Das hatte ich ganz vergessen, aber irgendwo hatte ich mal den Tipp gelesen, der angeblich Jazz-fingerings leichter machen soll: Nämlich die Saiten im Verhältnis nicht wie die untersten 4 Gitarrensaiten, sondern wie die mittleren 4 zu stimmen. Das müsste dann GCFA sein (Pendant zu E - ADGH -E auf der Gitarre). Aber ob das wirklich was bringt, weiß ich nicht. Vielleicht nur, wenn man eh vorher Jazz-Gitarre gespielt hat.

RISA

Zum Einen ist die höhere Spannung ein Problem für den Hals, aber fast noch mehr für die Decke, die sich nach innen wölben kann. Wenn man das merkt, ist es allerdings schon zu spät. Außerdem ist es ein Problem für den Steg der abreißen kann. Das Thema ist nicht ganz so einfach, da die Zusammenhänge nicht linear sind, d. h. eine Carbonsaite mit einen Duchmesser von beispielsweise 0,9 mm hat bei low-G und einer Tenormensur von 432 mm etwa eine Spannung von 31 N. Stimme ich sie eine Oktave höher auf high-G, dann liegt die Spannung bereits bei 124 N. Dafür ist die Ukulele nicht ausgelegt. Mit Nylon würde das übrigens nicht gehen. Mich wundert selbst, dass Fluorocarbon das ausgehalten hat. Stimme ich nur auf low-A, also zwei Halbtonschritte hoch, liegt die Spannung lediglich bei 39 N, was wiederum kein Problem ist.

KlausHH

langsam wird das Thema auch für mich interessant: spiele eine Kala Akazie Tenor und versuche mich z.Z. an Lyle Ritz (vielfach in dghe eingespielt). Hab also einen Satz Aquila Tenor dghe aufgezogen, der mir aber dann doch zu tief und mulmig klingt. Auf eac#f# hochgestimmt klingt´s schon besser. Letztendlich gefällt mir die Bb-Stimmung gerade auch mit den dicken Saiten am besten, die jetzt aber schon 1,5 Töne höher liegt, als vorgesehen. Insbesondere klingen die hoch gelegenen Akkorde satter als mit normalen Tenorsaiten in gcea. Höher sollte die Stimmung aber auch nicht mehr sein, sonst klingen die schönen Akkordfolgen m.E. in vielen Liedern nicht mehr gut.

Nach allem was ich hier gelesen habe, sollte die a-Stimmung (1 Ton höher) kein Problem sein für die Ukulele (?)
Bei der Bb-Stimmung häufen sich mir dann doch die Fragezeichen: hält die Uke die Spannung aus (ich selbst komm mit dem Spielgefühl gut klar)?

Nun könnte ich natürlich auch die Standard-gcea-Saiten einen Ton tiefer legen - hab ich probiert, aber das wird von der Saitenspannung zu schlabberig, sowohl im Gefühl wie auch im Ton.
Weiß jemand von den Fachkundigen, ob die Bb-Stimmung mit den dghe-Saiten meiner Akazie (Familie der Mimosengewächse) Schaden zufügen täte?

faltukulele

Hält die Ukulele die Spannung aus?

Erst mal zur Klarstellung: In den meisten Fällen ist hier von der Zugkraft der Saiten die Rede, nicht von der Spannung.
Spannung ist Zugkraft pro Fläche (in diesem Fall die Fläche des Saitenquerschnittes), und die hängt natürlich quadratisch (A=πr²) von der Saitenstärke ab. Spannst Du eine halb so starke Saite mit der gleichen Kraft, ist die Spannung vier mal so hoch.

Zurück zur Zugkraft: Bei monofilamenten (nicht umsponnenen) Saiten kannst Du Dir das ja leicht selbst ausrechnen:
Auch hier steigt die Zugkraft quadratisch zur Erhöhung der Frequenz. Stimmst Du die gleiche Saite einen Halbton höher, nimmt die Zugkraft um 12% zu, bei zwei Halbtönen um 26%, bei 3 Halbtönen um 42% usw.

Viele Ukulelen werden das sogar auf die Dauer aushalten, sie sind ja oft hoffnungslos überdimensioniert. Für eine gute, leichte (eben möglichst wenig überdimensionierte) Ukulele kann das aber auch schon deutlich zuviel sein - was Du der Kala zumuten solltest, möchte ich nicht einschätzen müssen.

Wenn Du die Möglichkeit hast, die Stärken der (gespannten) Saiten mal genau zu messen (oder jedenfalls mal die Werksangaben zur Zugkraft beisteuerst), könnte man daraus belastbare Zahlen machen. Sicher ist jedenfalls, daß es geignete Saitenstärken für Dein Problem gibt. Vermutlich mußt Du nur ein paar dünnere Saiten aussuchen - die klingen dann (wegen der geringeren Steifigkeit) auch gleich freiwillig netter ;-).

Viele Grüße

Christoph

KlausHH

Vielen Dank! Ich werd mal nach den Zugdaten suchen und losrechnen. Schon klar, dass niemand Belastbarkeitsgarantien für die Instrumente anderer abgeben möchte und kann. Es ging mir nur um etwaige Erfahrungswerte derart, dass man sagen könnte \"liegt absolut satt im grünen Bereich - aufpassen erst ab weiteren 3 Halbtönen\" o.dergl. Habe selbst da bisher keine Vorstellung. Ist offenbar am besten, sobald Gelegenheit ist den Vertragshändler meines Vertrauens beiseite zu nehmen und in die Pläne einzuweihen.