Zur aktuellen Wirtschaftslage

Begonnen von Uketeufel, 31. Okt 2008, 09:46:05

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Uketeufel

Ein bisschen Lebenskunde
Am Ende des Gedichts nach unten scrollen und über das Erscheinungsdatum
wundern . . .

Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer fast bei allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.


Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen - echt famos!


Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.


Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heißt, Bewohner müssen raus.


Trifft\'s hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken -
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!


Soll man das System gefährden?
Da muss eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.


Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.


Für die Zechen dieser Frechen
hat der Kleine Mann zu blechen
und - das ist das Feine ja -
nicht nur in Amerika!


Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen -
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.


Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird Bisschen Krieg gemacht.
















































Kurt Tucholsky, 1930, veröffentlicht in \"Die Weltbühne\"
Ich bin ein Prootcher!

http://www.prootchers.de
www.facebook.com/Prootchers

WS64

Wieso wundert Dich das Datum?
Das war genau die Zeit der Weltwirtschaftskrise...

charangohabsburg

Gut, dass grosse Köpfe solche Tatbestände kommentiert haben - obwohl es natürlich nichts an der defizitären Kollektivintelligenz des Menschen ändert.  :|

Bauschi

Das Leerverkäufe bereits damals praktiziert wurden, war mir bis dato auch noch nicht bekannt.
Na das wird wohl nicht das Einzige sein was ich nicht weis!

charangohabsburg


vinaka

Die Menschheit hat sich seit \"Neandertal\" nicht weiterentwickelt.
Ausnahme: Ukulelen-Spieler.

Uketeufel

Internet-Fakes sind lästig. Besonders, wenn man selbst darauf reinfällt.

Wie die Frankfurter Rundschau schreibt, ist das Gedicht nämlich eine Internet-Legende: "Der Text findet sich ursprünglich auf der Website eines gewissen, 'freiheitlich' gesinnten Pannonicus (http://www.genius.co.at/index.php?id=165>), der mit richtigem Namen
Richard G. Kerschhofer heißt, öfter für die deutlich rechts angesiedelte österreichische Zeitschrift "Zeitbühne" schreibt und wohl auch gewisse Sympathien für die FPÖ hegt."

Wie auch immer: Ich finde das Gedicht gut, und Tucholsky hätte es geschrieben haben können;)
Ich bin ein Prootcher!

http://www.prootchers.de
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Bauschi

Zitat von: charangohabsburg@ Bauschi: Da war doch der Börsencrash von 1929...
Das ist schon klar, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leerverkäufe von Wertpapieren bereits damals praktiziert wurden. Falls doch ( entzieht sich meiner Kenntnis), muss man sich doch fragen warum die Mennschheit insbesondere Banker und Politiker nichts dazu gelernt haben.

charangohabsburg

\"Leerverkäufe\" im heutig verstandenen Sinne offenbar wahrscheinlich nicht, ich kenne mich dabe zu wenig aus. Wie wir ja unterdessen wissen, ist das Gedicht ein Werk jüngster Zeit, und Du hast in die richtige Richtung gewiesen: da kommen Dinge vor, von denen Tucholsky nichts gewusst haben kann.
Auch der Hinweis \"Dann wird Bisschen Krieg gemacht\" würde Tucholsky kaum in diesem Zusammenhang geschrieben haben, denn er hätte sich ja anno 1930 wahrscheinlich auf den 1. Weltkrieg bezogen, der aber nicht von einer wirtschaftlichen Krise getrieben war, wie es dann später (nebst anderen, übleren Kräften) der 2. Weltkrieg war.
Mein Wunsch, Tucholsky hätte dieses Gedicht tatsächlich geschrieben, war grösser als meine Skepsis...

Wie erwähnt, muss ich zugeben, dass ich von Börsengeschäften eigentlich nichts verstehe, ausser dass mir klar ist, dass die extremen, Summen, die sich Börsianer über Nacht aufs Konto fliessen lassen nicht im wort-wörtlichen Sinn verdient sind. Laut Gesetzen sind diese Millionen zwar nicht gestohlen, nach moralischen Begriffen meiner Meinung nach jedoch schon. Es ist für mich vage nachvollziehbar, dass es an der Börse passierten kann (und passiert), dass \"nichts\" zu hohem Preis verkauft wird. So hatte ich den Begriff \"Leerverkauf\" verstanden, ohne zu wissen, dass es sich dabei offensichtlich um einen Fachbegriff handelt. Aber die Börse hat nach meiner Meinung schon lange vor 1929 nach zum Teil  unethischen und menschenverachtenden Prinzipien funktioniert. Dem möchte ich noch anfügen, dass von diesen Praktiken nicht nur die Börsianer profitiert haben und immer noch profitieren, sondern die ganze \"westliche\" oder \"erste\" Welt, die Schweiz natürlich, wenn auch volumenmässig relativ unbedeutend (jedoch prozentual für die CH-Landesbevölkerung erheblich) \"vorne dabei\". Die Zeche bezahlt weiterhin in erster Linie die 3. Welt - die billigen Arbeitskräfte und billigen Rohstoff-Lieferanten...

So, genug gejammert und \"mea culpa\" gebetet. Wenn ich schon nicht fähig bin, meine Brötchen selber an der Börse zu verspekulieren, sollte ich heute besser noch ein bisschen Ukulele üben statt Maulaffen feilzuhalten ;)

Bauschi

Wenn wir hier schon ins politische bzw. wirtschaftliche Abrutschen, auch von mir ein kleiner Beitrag:

David R. Kamerschen, Professor für Ökonomie an der Universität Georgia, macht folgende Rechnung auf, um die Paradoxen des Deutschen Steuersystems zu erklären:

Es waren einmal zehn Männer, die jeden Tag miteinander zum Essen gingen. Die Rechnung für alle betrug jeden Tag genau 100 Euro.

Die Gäste zahlten ihre Rechnung wie wir unsere Steuern. Die vier Ärmsten zahlten nichts, der Fünfte zahlte 1 Euro, der Sechste 3 Euro, der Siebte 7 Euro, der Achte 12 Euro, der Neunte 18 Euro und der Reichste zahlte 59 Euro.

Das ging eine Zeitlang gut, bis der Wirt Unruhe in das Arrangement brachte, indem er vorschlug, den Preis für das Essen um 20 Euro zu reduzieren, weil sie alle so gute Gäste waren. Jetzt kostete das Essen für die Gruppe nur noch 80 Euro. Wie konnten sie die 20 Euro Ersparnis so aufteilen, dass jeder etwas davon hätte? Für die ersten Vier änderte sich nichts, sie aßen weiterhin kostenlos. Die übrigen Sechs stellten schnell fest, dass 20 Euro geteilt durch sechs Zahler 3,33 Euro ergibt. Aber wenn sie das von den einzelnen Teilen abziehen würden, bekämen der fünfte und sechste Gast noch Geld dafür, dass sie überhaupt zum Essen gehen.

Also schlug der Wirt den Gästen vor, dass jeder ungefähr prozentual so viel weniger zahlen sollte, wie er insgesamt beisteuere. Heraus kam folgendes: Der fünfte Gast, ebenso wie die ersten vier, zahlte ab sofort nichts mehr (100% Ersparnis). Der Sechste zahlte 2 Euro statt 3 Euro (33% Ersparnis), der Siebte zahlte 5 statt 7 Euro (28% Ersparnis), der Neunte 14 statt 18 Euro (22% Ersparnis) und der Reichste zahlte künftig 50 statt 59 Euro (15% Ersparnis).

Jeder der Zehn kam günstiger weg als vorher, trotzdem machte sich Missmut breit. \"Ich habe nur 1 Euro von den 20 bekommen\", sagte der Sechste und zeigte auf den Zehnten, den Reichen. \"Aber er kriegt 9 Euro\". \"Stimmt\" rief der Fünfte. \"Ich habe nur 1 Euro gespart und er spart neunmal so viel wie ich.\" \"Wie wahr\" rief der Siebte. \"Warum kriegt er 9 Euro zurück und ich nur 2? Alles kriegen mal wieder die Reichen.\" \"Moment mal\", riefen da die ersten Vier. \"Wir haben überhaupt nichts bekommen. Das System beutelt die Ärmsten aus\". Und wie aus heiterem Himmel verprügelten die neun den zehnten Gast, den Reichen.

Am nächsten Abend tauchte der Reiche nicht mehr zum Essen auf. Also setzten die übrigen Neun sich zusammen und aßen ohne ihn. Als es an der Zeit war, die Rechnung zu bezahlen, stellten sie fest, dass sie alle zusammen nicht genug Geld hatten, um auch nur die Hälfte der Rechnung zu bezahlen.......

Und wenn sie nicht verhungert sind, dann wundern sie sich noch heute.

Wie im wahren Leben - oder?

hoaloha


Kugel

Zitat von: Bauschi.........Wie im wahren Leben - oder?

Nöö!


Gruß

Kugel

kurt

Also von \"wie im wirklichen Leben \" kann man hier sicher nicht sprechen !!

Eine Runde von 10 Leuten wird mehr oder weniger von einem zum täglichen Essen eingeladen und verprügelt ihn letztendlich.
Nur Wirtschaftstheoretiker können auf so einen Schwachsinn kommen !!

Hier werde sämtliche sozialen und psychologischen Faktoren außer acht gelassen ! Seit McNamara hab ich sowas nicht mehr gehört !

Ich möchte hier aber jetzt ein neues System vorstellen !

Anstatt einer \" Gewinnmaximierung\" die stets in den Untergang führt, empfehle ich den \" Soliden Schnitt\".
Es ist jeden klar das ein Geschäftsmann alles teurer verkaufen muß, als er es einkauft.
Es sollte aber die Ethik des Händlers verlangen, daß er nicht jeden Preis verlangt, den er bekommen kann !!

Leider funktioniert dies auch nicht.  ;)
Wer weiß warum ?

Unter den richtigen Einsendungen verlose ich eine Fußreise nach Kanada. :lol:

MicroMue

Vielleicht sollte es eher die Ethik des Käufers verlangen, nicht jeden Preis so weit zu drücken wie es irgend geht? Solange mehr Billig-Ukulelen aus Fernost gekauft werden als wertige Produkte zu angemessenem Preis, liegt dein \"Solider Schnitt\" in weiter Ferne.

Gruß

MikroMü

wwelti

Mir persönlich gefällt das gängige System deshalb nicht, weil es sehr auf Krediten aufgebaut ist. Dazu gehört auch das \"Fiat Money\" System, das nur deshalb im heute praktizierten Ausmaße möglich ist, weil es staatlich gedeckt wird. Das empfinde ich persönlich als ziemllich unredlich, da nicht existente Werte zum gesetzlichen, verbindlich zu akzeptierenden Zahlungsmittel erklärt werden. Das fiese daran ist daß die Banken so quasi einfach für sich selbst Geld herbeizaubern können. Die einzeige Rechtfertigung für dieses System, die ich kenne ist: \"Anders wäre kein so großes Wachstum möglich\". Na klasse.

Jetzt sollte man denken daß dieses System einen großen Vorteil für die Banken darstellt (was es wohl erstmal auch ist), und somit unmöglich für einen Bankenkollaps verantwortlich sein kann. Das sehe ich allerdings anders. Dadurch daß sich die Banken auf dieses System verlassen und sein perfektes Funktionieren als selbstverständlich ansehen, wird die zugrundeliegende Gefahr eines Zusammenbruchs m.E. ebenfalls potenziert.

So, jetzt werde ich wahrscheinlich von den Wirtschafts-Profis niedergemacht... :roll: