Ukulele von der Stange vs Handefertigt

Begonnen von apfelrockt, 16. Jun 2011, 19:54:13

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apfelrockt

In einem anderen Thread hat mich diese Aussage von losguidos doch stutzig gemacht. Mit der Meining steht er ja nicht alleine da und seine Meinung ist deshalb auch nur stellvertretend für wahrscheinlich viele die das genau so oder doch so ähnlich sagen würden. Ich hoffe du hast nichts dagegen Guido dein folgendes Zitat als Aufhänger zu nehmen.

Zitat von: losguidosVon der Qualität der Bauweise her, nehmen sie sich sicher nicht viel. Bei Uken von der \'Stange\' kann es aber immer mal etwas bessere und schlechtere geben, weil die Tolleranzen bei einer Serienfertigung logischerweise größer sind, als wenn ein Instrumentenbauer ein Einzelstück fertigt.

Was mich irritiert ist die Annahme dass in einer Serienfertigung die Tolleranzen grösser sein sollen als bei einer Handanfertigung. Ist es nicht grade der Sinn einer Serienfertigung eben Tolleranzen zu minimieren? Warum sollte ein Handwerker eine Gitarrendecke massgenauer zurechtschneiden als eine computergesteuerte Maschine? Habe ich einmal ein passgenaues Muster, wird mir eine Computer gesteuerte Fräse immer eine 100% tige Kopie herstellen. Ein Mensch kann das nicht und so könnte es doch höchstens sein, dass das handgebaute Instument nicht immer 100%tig perfekt ist? Ich denke das beim zusammenfügen der einzelnen Bauteile evtl. der Mensch noch Vorteile gegenüber der Maschine hat, obwohl ich da auch nicht so sicher bin.
Als Bsp würde ich gerne Martin Instrumente anbringen, die ja bekanntlich einen hohen Standard setzen aber letztlich auch keine rein handgefertigten Instrumente sind, sondern die sich auch die Vorteile der maschinellen Teile-Fertigung zunutze machen.

Ist jetzt nur ein Diskussionsanstoss wie denkt ihr da?
es ist bereits alles gesagt, nur noch nicht von jedem

-Jens-

#1
Zum Zitat: Ich hab da schon ein mathematisches Problem ... die Toleranzgrenzen beim Einzelstück :shock:

Zur Serienherstellung: Klar wird man versuchen, die Arbeitsabläufe zu optimieren und auch Material in gleichbleibender Qualität zu verarbeiten, dennoch gibt sozusagen eine biologische Varianz im Naturwerkstoff Holz, der sich technisch sicher nicht eingrenzen lässt (im Sinne einer 1:1 Kopie). Dennoch wird der hohe Verwandtschaftgrad baugleicher Uken erkennbar bleiben (sonst könnten wir uns ja die Diskussionen um die oder jene Serienuke sparen). Das schöne an dem Spiel ist ja gerade, daß es so viele Parameter zu berücksichtigen gäbe im Falle eines Vergleichs, daß liefert uns ja gerade den Diskussionsstoff.

Aber ein Einzelstück bleibt ein Einzelstück, keine Varianz, keine Toleranzen. Und kaum ein Instrumentenbauer, zumindest im Gitarren- oder Ukulelenbau, denke ich baut überhaupt das gleiche Instrument nicht mehr als zweimal (ich weiß, Pfeiffer baut immer zwei customs, falls mal was schief geht ;) )

NoldiNairolf

#2
Na ja, ein \"handgefertigtes Einzelstück\" hat natürlich keine Serienstreung...  :mrgreen:  

Man kann generell nicht einfach sagen Handfertigung oder Serienfertigung ist besser/genauer...

Es hängt von vielen Faktoren ab, ein handgefertigtes Instrument kann schlampig verarbeitet sein, oder beinahe perfekt...vieles hängt vom Menschen (Erfahrung, Talent,...) und den verwendeten Arbeitsweisen und Zielpublikum ab...
Genauso bei Serienproduktion: Bei Serienproduktion kommt auch noch dazu wie gut das Qualitätsmanagement ist, die Endkonrolle, Preissegment,....

Ein handgefertigtes Einzelstück hat vieleicht einfach mehr Charme, mehr \'Persönlichkeit\'...

Gruss,
Noldi


Edit: Da war Jens schneller mit dem Kommentar zur Streung bei Einzelstücken...   :D

Dieter

#3
ich hab martins - gibson - bushman und auch eine von claus mohri..

bei einem einzelstück gibts keine fertigungstoleranzen und daher kann natürlich niemand sagen, die ist da dicker oder breiter oder..

wohl kann man aber fehler finden, wenn welche da sind. der nachteil einer einzelfertigung ist halt, dass man sich darauf
verlassen muss, wie sie nachher klingt. das kann man bei einer fertigen ausprobieren.

ich hatte da bei meiner mohri glück, die geb ich auch nicht mehr her.  :) der mann ist top in seinem job!
Gruss Dieter

Linho

Zitat von: -Jens-(ich weiß, Pfeiffer baut immer zwei customs, falls mal was schief geht ;) )
Stimmt nicht ganz. Er biegt allerdings immer zwei Zargen, falls eine reißt o.ä. Er baut aber nie bei einer Customanfertigung genau die selbe als zweite, er variiert also einen der anderen Parameter wie Hals, Decke, Boden, Griffbrett etc.

(Das hat er mir zumindest gesagt. Trifft auf \"normalere\" Custommodelle vielleicht nicht zu, aber bei den außergewöhnlichen bekommt man definitiv ein Einzelstück, außer jemand anderes möchte mal eine identische gebaut haben.)


Zum Thema: Es hat einfach einen ganz anderen Flair, wenn man weiß, dass jemand in liebevoller Handarbeit das Instrument gefertigt hat, und es nicht aus einer anonymen Massenfertigungsfabrik stammt. Und so lange die Qualität stimmt, der Liebhaberwert spricht für sich! :)

faltukulele

Die \"Tolleranzen\" waren vielleicht von Anfang an nicht ganz der richtige Begriff.

Sinn der Serienfertigung ist primär nicht die Minimierung von Toleranzen, sondern die Steigerung der Wirtschaftlichkeit. Das fängt beim Holzeinkauf an: Der Preis für 200 Instrumente ist schon deutlich ein anderer. Wer in solchen Größenordnungen einkauft, sucht aber kaum jede Decke einzeln aus, sondern muß sich auf seinen Lieferanten verlassen. Das geht weiter bei der Ausnutzung vorhandener Formen und der Einrichtung von Maschinen für bestimmte Arbeitgänge - die Rüstzeiten sind erheblich, und schon eine Kleinstserie von ein paar Exemplaren spart eine Menge Arbeitszeit ein. Dazu kommt die Notwendigkeit des Deligierens. Wer auch nur einen Helfer mit durchfüttern will, muß Arbeitsabläufe kontrolliert wiederholbar ausgestalten. Sonst kostet die Kontrolle mitsamt Nachbesserung und deren Kontrolle schnell so viel Zeit, wie die Sache selbst zu machen.

In Bereichen, wo die Fertigung vollständig automatisiert abläuft, zeigt sich, daß die Toleranzen deutlich geringer sind als bei den Ergebnissen tagesformabhängiger Mitarbeiter. In Schulmöbelfabriken gibt es bereits Lackierautomaten, die auch an heiklen Ecken einen verläßlich gleichmäßig starken Lackauftrag hinbekommen. Im Instrumentenbau sind solche Arbeitschritte aber eher die Ausnahme.
Das Gros der Großserieninstrumente wird heute in Billiglohnländern mit einem erstaunlich hohen Anteil von \"Handarbeit\" hergestellt, natürlich unter Zuhilfenahme jeder eben wirtschaftlichen Vereinfachung. Das erfolgreiche Konzept zur Vermeidung dürfte dabei eben das sein, was erhebliche tatsächliche Toleranzen ohne Schaden für das Gesamtergebnis eben gerade noch verträgt.

Ich denke, so ähnlich dürfte Guido das gemeint haben (?).

Die Pfeiffers, denen es seit Jahren gelingt, den Spagat zwischen rationeller Fertigung und verkäuflichem Ergebnis erfolgreich zu meistern, bewundere ich hierfür beinahe mehr als für ihre schönen Instrumente. Auch mit einer \"ererbten\" guten Vernetzung und mit besten Beziehungen zum Kollwitzschen Holzhandel dürfte das hierzulande die große Seltenheit und im Ukulelenbereich in Deutschland einmalig sein. Von überraschend erfolgreichen Händlern abgesehen, fallen mir in Europa auf Anhieb überhaupt nur APC in Portugal und Lakewood ein.

Die wahrlich wenigen erfolgreichen \"Einzelkämpfer\" sind ein völlig anderes Thema. Von der sicher kaum 4-stelligen Zahl der begabten und engagierten \"Instrumentenbauer\" in Europa wird der größte Teil entweder in einer der wenigen Manufakturen angestellt sein oder vornehmlich eben nicht davon leben können. Und von den wenigen, die es \"geschafft\" haben (mir ist kaum ein Dutzend auch nur namentlich bekannt), wird nicht einer ausschließlich vom Ukulelenbau leben. Wer in dieser Situation feststellt, daß die Form der Zarge nach dem Biegen nicht ganz stimmt, muß selbst entscheiden, ob er das Instrument unter Spannung verleimt oder ob er die Biegung noch einmal nachbessert. Und er muß darauf bauen daß seine Kundschaft ihm glaubt, daß er die richtige Entscheidung fällt ...

Vom Preis - der hier vermutlich die Wichtigkeit erfährt, die er in der Praxis hat - einmal weitgehend abgesehen, würde ich tendenziell eine reziproke Abhängigkeit erwarten von Stückzahl auf der einen Seite und der Bereitschaft, auf Sonderwünsche und Feinheiten zu achten, auf der anderen.

Ein Feedback von jemandem, der mehr als drei Ukelele im Jahr baut, würde mich sehr freuen.

Viele Grüße

Christoph

losguidos

Hallo Zusammen,

anscheinend habte ich mich etwas mißverständlich ausgedrückt :D Mit Fertigungstolleranzen meine ich nicht, daß eine Ukulele der anderen gleicht, im Sinne das sie identisch seien, sondern das die Qualitätsswankungen von Ukulelen die in Serie Produziert werden größer ist. Bei einer Serienproduktion arbeiten mehrere Menschen an der Fertigstellung eines Instruments und der Durchsatz ist höher. Es gibt bei jedem Hersteller der Ukulelen in Serie fertigt \'Montagsmodelle\', bei denen die Summe vieler kleiner Fehler ein Instrument ergibt, das unter dem Durchschnitt liegt. Ob es dann in den Handel kommt, liegt an der Endkontrolle. Ungekehrt kann auch mal eins über dem Druchschnitt liegen. Es gibt jedenfalls eine Streuung. Bei einer Custom-Uke arbeitet ein Ukulelenbauer an einen Instrument, der auch mehr Zeit in die Herstellung stecken kann. Da wird man nie ein Montagsmodell bekommen  ;)

VG