Ukulelenboard

Ukulelenboard => Theorie, Technik, Aufnahme => Theorie => Thema gestartet von: skiffle am 11. Jul 2012, 13:57:39

Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: skiffle am 11. Jul 2012, 13:57:39
Ich erbitte Eure kompetente Hilfe.
Wie heißen die Akkorde B° (B Null) und G#° (Null) noch alternativ?
Vielleicht  B° = Bdim oder Baug+ ???  
und G#° = G#aug+ ???
Ich bin ratlos.
Mache gerade meine \"Hausaufgaben\" und komme hier nicht weiter.
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: UkeDude am 11. Jul 2012, 14:17:26
Ich denke die ° Akkorde sind die aug+

z.B. C°=Caug= 1003

in Deinem Fall Baug: http://chordlist.brian-amberg.de/en/ukulele/standard/Baug/

und G#aug: http://chordlist.brian-amberg.de/en/ukulele/standard/Abaug/

Was zufälligerweise das C° (1003) ist. :)
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: skiffle am 11. Jul 2012, 15:07:52
Danke UkeDude für die Aufklärung.
Nun muß mir  http://ukulelehelper.com/ weiterhelfen, die jeweils \"richtigen\" klangvollen Griffe zu finden.
Der hatte mir bisher noch immer die meisten Varianten zum Zusammenbasteln zu bieten.
Das ewige Suchen und Vergelichen macht ja nur Spaß, wenn man weiß wie die \"Dinger\" (Akkorde) so heißen.
Nicht dass noch jemand denkt ich komponiere. ;)
Muß nur diverse Titel \"übersetzen\", damit ich sie auch technisch und klanglich hinkriege.
Und das ist eben die Mühe in der Ebene.
Da ist der Akkord- und Theoriebescheidwisser sehr deutlich im Vorteil.

Edit: Es geht letztlich um schräge Akkorde. :)
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: -Jens- am 11. Jul 2012, 15:08:00
Die Akkorde mit dem °-Zeichen sind sogenannte halbverminderte Dreiklang-Akkorde (im Gegensatz zu den ganzverminderten = °7 = Vierklang), welche sich aus Grundton, kleiner Terz, und verminderter Quinte zusammensetzen. Ein Akkord (Dreiklang), der durch Schichtung zweier kleiner Terzen entsteht. Sie werden auf der Ukulele nicht sehr häufig gespielt, verbreiterter sind die mit Septime (je nach Kontext °7 = dim7 oder m7b5).

Für die Ausgangsfrage wäre B° = Bdim korrekt.

Augmented oder auf deutsch übermäßigter Akkord ist genau das Gegenteil, zwei große Terzen werden übereinander geschichtet, sie tragen das Symbol +, z.B. C+. Sie bestehen also aus Grundton, großer Terz und übermäßigter Quinte. Sie treten regelmäßig als Stufenakkord der 3. Stufe in harmonisch und melodischem Moll auf.

... die Geschichte ginge noch weiter, hab nur gerade keine Zeit ...
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: UkeDude am 11. Jul 2012, 15:15:50
Ups, na siehste skiffle, also grad andersherum. :) Danke Jens...  und ich war mir so sicher.  :oops:
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: skiffle am 11. Jul 2012, 15:32:53
Besonderer Dank auch an Jens fürs geöffente Zeitfenster in eine mir fremde Welt!
G#° wäre dann G#dim, hoffe ich für mein mürbes, schwerfälliges und  nach wie vor theoriesperriges Hirn?
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: Ole Lele am 11. Jul 2012, 16:49:00
Ehm, Vorsicht: Wie Jens schon andeutete, ist B° ohne Septime ein eher akademischer Akkord. Man findet ihn am ehesten noch in der Klassik oder in verkopfterem Jazz. Dass man dem Symbol trotzdem häufig begegnet liegt daran, dass oft B° geschrieben steht, wo tatsächlich der vollverminderte Vierklang gemeint ist, der akademisch mit B°7 (Bdim7) bezeichnet wird.

Das ist so weit verbreitet, dass ich, solange keine Indizien für das Gegenteil vorliegen, bei B° davon ausgehe, dass Bdim7, nicht Bdim gemeint ist.
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: skiffle am 11. Jul 2012, 17:59:45
Ich gehe davon aus Ole Lele, dass Du weiterhin davon ausgehen kannst, dass Du recht hast.
Dafür und Deine Anteilnahme meinen Dank. ;)
Ich hatte vor einigen Monaten schonmal einen ähnlichen Fall,
der Dank Eurer Beratung zu einem Ergebnis für mich kam. :)
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: -Jens- am 11. Jul 2012, 19:38:11
Das ist für dich, Skiffle, ja praktisch, weil du dir nur einen Griff merken musst - 1212 - ein vollverminderter Akkord, bei dem jeder Ton auch Grundton sein kann, und es folglich sich der Griff jeden 4. Bund wiederholt.

Im Prinzip gibt es also nur 0101, 1212, 2323 ... und 3434 hat bereits wieder den gleichen Tongehalt wie 0101. Drei identische Griffe für 12 Tonarten ... das Ukulele-Chamäleon schlechthin :)

[entspricht übrigens auch einem grundtonlosen 7b9-Akkord, falls der mal auf einem deiner Zettel steht].

P.S. Mit den übermäßgten Akkorden (+, aug) verhält es sich ähnlich, obgleich es zwei Giffvarianten gibt, z.B. 1003 bzw. 5443 für etwa C+, E+, G#+
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: skiffle am 11. Jul 2012, 20:06:02
Ich liebe diese leicht einprägbaren Griffe mit denen man auf dem Griffbrett nett hin- und herschraddeln kann.
Deinen/Euren Beitrag hab ich schonmal in mein Konvolut von persönlichen Daten zur Ukulele abgespeichert.
Lange Verdaungsphase für einen Totalamateur.
Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass mir das Greifen besser gelingt als das Begreifen.  
Zwischenzeitlich wächst ja tatsächlich und unmerklich der eigene Anspruch. Und viele Titel will/muß ich nun neu \"gestalten\", weil sie mit den richtigen Griffen und den richtigen Akkorden einfach besser klingen, als mit manch gelegentlich starker Vereinfachungen und Mauschelei.
Hat nur den Nachteil, es wird komplizierter und man gerät schnell in Teufels Küche, wenn man nicht öfter/ständig übt.
Wo ich doch lieber spiele. :D
Doch wem sage/poste ich das?
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: -Jens- am 11. Jul 2012, 20:56:05
Tröste dich, beim Blick auf ein Akkordblatt auf dem steht Gb° oder F#+ fange ich auch das suchen an ;)
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: Gelli am 06. Okt 2012, 13:18:47
ein G° ist (zumindest in der normalen Notation! vielleicht gibt es in der Computerwelt ja Unterschiede?!) ein VERMINDERTER Dreiklang. -> G B Db

ein G°7 wäre ein verminderter Vierklang -> G B Db E

Ein halbverminderter Akkord wäre ein Gm7b5 oder ein G mit einem durchgestrichenen Kreis (dieses Zeichen gibt es auf meiner Tastatur nicht). -> G B Db F


Also:

G° / G°7 -> Gdim -> G mit zwei (beim G°7 drei) kleinen Terzen drauf!


G aug -> G übermäßig -> G mit zwei großen Terzen drauf!


Beste Grüße!
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: Juttalele am 07. Okt 2012, 13:16:13
Bei all diesen Be-Griffen, die ja mehr Bezeichnungen sind als BeGriffe, stellt sich doch sicher die Frage, was das überhaupt bedeutet? Wieso heißt es vermindert und übermäßig? Was soll das?

Was wird überhaupt vermindert oder \"überzogen\", erhöht ... übermäßigt?

Die so genannten \"reinen Intervalle\". Das sind: Quarte, Quinte, Oktave.

Die Intervalle in der Reihenfolge sind auch hier aufgeführt:
http://www.musicians-place.de/harmonielehre/kurs-1/die-intervalle.html

Bei den anderen Intervallen gibt es kleine und große, wobei der Unterschied zwischen klein und groß in einem Halbtonschritt besteht. Bei Quarte, Quinte und Oktave gibt es nur diese einen, also keine kleinen und keine großen. D. h. eine Quarte ist eine Quarte ist eine Quarte ... eine Quinte ist eine Quinte und eine Oktave ist eine Oktave.

D. h. genau genommen, dass eine übermäßige Quinte gar keinen Quinte mehr ist, sondern eine kleine Sexte.

Wer also hier nur die Töne betrachtet wie ein Vogel, der gerade auf einem Akkord landet ... der wird mit den Bezeichnungen übermäßig und Co. nichts anfangen können ... sie sind nur im Zusammenhang erklärbar, im größeren System. Und wenn man sich zu Fuß in diesen Wald begibt, sieht man irgendwann diesen vor lauter Bäumen nicht mehr ;)

In zwei Minuten habe ich das alles wieder vergessen.  :mrgreen:

(ja ja ja, ich weiß, auch die anderen, die kleinen und großen Soundsos lassen sich vermindern und überstrapazieren ... aber das führt wirklich zu weit rein in den Wald, finde ich ... und wenn man dann ganz im Dunkeln landet, nützt einem dieses Wissen auch nix ...)
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: Gelli am 07. Okt 2012, 16:47:03
Zitat von: Juttalele[1] Was wird überhaupt vermindert oder \"überzogen\", erhöht ... übermäßigt?

...


[2] D. h. genau genommen, dass eine übermäßige Quinte gar keinen Quinte mehr ist, sondern eine kleine Sexte.

...

[3] Wer also hier nur die Töne betrachtet wie ein Vogel, der gerade auf einem Akkord landet ... der wird mit den Bezeichnungen übermäßig und Co. nichts anfangen können ... sie sind nur im Zusammenhang erklärbar, im größeren System. Und wenn man sich zu Fuß in diesen Wald begibt, sieht man irgendwann diesen vor lauter Bäumen nicht mehr ;)



[1] Es handelt sich im Grunde genommen um die Quinte. Bei einem verm. Akkord hat man die kleine Terz und eine verminderte Quinte.
Während man bei einem übermäßigen Akkord eine große Terz hat und eine übermäßige Quinte!

Bei verminderten oder übermäßigen Akkorden gibt es das Phänomen, dass man strickt Terzen schichtet, ohne Rücksicht auf Verluste. Man springt sozusagen aus seinem tonalen System raus.

Ein Durakkord besteht zb aus einer großen Terz, und darauf schichtet man dann noch eine kleine drauf.
Ein Mollakkord aus einer kleinen Terz, darauf kommt ne große.

Beim verm. Akkord schichtet man sozusagen stur kleine Terzen. Und hat so dann über dem Grundton: kl. Terz, verm. Quint, verminderte 7 (-> große Sexte).
Beim übermäßigen macht man das gleiche mit großen Terzen. Landet so bei der großen Terz und der übermäßigen Quinte und dann wieder auf den Grundton.

Deshalb ist der verm. Akkord ein symmetrischer Akkord. Man kann ihn verschieben.


[2] Das hat mit der enharmonischen Verwechslung zu tun. Man will keinen Intervall doppelt haben in einer Tonleiter. Also nur eine Sekunde, Terz, Quart, Quint, Sext und Septime.
Wenn du zb sagst du willst eine überm. Quinte, heisst das automatisch, dass keine reine Quinte mehr in der Tonleiter ist. Würdest du die überm. Quinte jetzt aber kleine Sexte nennen (obwohl es theoretisch der gleiche Ton ist), dann würdest du damit ausdrücken, dass keine große Sexte drin ist. Aber dafür irgendeine Quinte.

Also wenn du jetzt zum Beispiel eine Durtonleiter hast und dort keine reine Quinte willst, sondern stattdessen den Ton einen Halbtonschritt höher, dann gäbs folgende Intervalle:
Prime, gr. Sekunde, gr. Terz, Quarte, überm. Quinte, gr. Sext, gr. Sept.


[3] Die Akkordbezeichnungen sind -wenn man sie erstmal versteht- recht genau und vielsagend.

Vermindert bedeutet immer Grundton, kleine Terz, verm. Quinte.
Übermäßig bedeutet Grundton, gr. Terz, überm. Quinte.

Solange bei einem Akkord kein moll oder Vermindertzeichen steht, braucht man die große Terz.
ZB C7 -> Durakkord + kleine Septime.
Will man die große Septime in nem Durdreiklang schreibt man maj7.


Oft in Jazzsheets steht dann zb C9#11 oder sowas. Prinzipiell bräuchte man also: Grundton, gr. Terz, Quinte, kl. Sept, gr. None/Sekunde und die überm. Quarte. Irgendwann hört der Spaß auf der Gitarre und sowieso auf der Ukulele aber auf, da man nur 4 Saiten hat. Also kann man sich die wichtigsten und am besten liegenden Töne aussuchen und damit den Akkord basteln.
ZB: 3423
Wäre Grundton, gr. Terz, kl. Septime, überm. Quarte.

Man kann sich also die Sounds aus einem Akkord, die einem wichtig erscheinen rauspicken und spielen, muss nicht immer alles spielen. Wichtig ist nur, dass man den Akkordsound nicht verändert. ZB bei einem Sus-Akkord niemals die Terz spielen. Bei einem 7ner Akkord niemals die große 7.






Undsoweiterundsofort!

Beste Grüße
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: Juttalele am 07. Okt 2012, 17:19:25
.... upps, lieber Gelli, da hast du mich evtl. missverstanden ... meine Frage war nicht als Frage gemeint bezüglich der konventionellen Handhabung all dieser Bezeichnungen, sondern bewusst die Konventionen hinterfragend bzw. untergrabend.

Trotzdem danke für deine Mühe, vielleicht finden andere in deinen ausführlichen Beschreibungen eine gute Erklärung für mögliche Fragen ihrerseits.

In der so genannten Harmonielehre oder sagen wir besser den Harmonie-LehreN -- geht es ja nicht einfach um einzig wahre unumstößliche Gesetze, sondern vielmehr Entwicklungen hierarchischer Systeme, die sich wiederum auch in der Musikgeschichte nachvollziehen lassen ... d. h. nur auf dem Hintergrund der Musikgeschichte werden sie wirklich verständlich, das ist jedenfalls meine für mich unumstößliche Erkenntnis. Deshalb benutzte ich das Bild eines Vogels, der fern dieser linearen (historischen) Kenntnisse auf einem Akkord landet, d. h. der Vogel als Sinnbild für Unvoreingenommenheit bezüglich konventioneller Vorherrschaften in einem System.

Wenn wir es jetzt ganz genau nehmen wollten, müssten wir uns also mit den verschiedenen Stimmungen befassen und in der Geschichte weit zurückreisen bis zu Pythagoras ... und von dort wiederum einen Streifzug durch die Musikgeschichte bis heute unternehmen ... erst dann werden auch die Bezeichnungen nachvollziehbar (es sei denn, jemand lernt gerne einfach etwas auswendig, ohne Zusammenhänge verstehen zu wollen, dann würde ihm/ihr vielleicht deine Ausführung helfen).

Allein schon die Frage, warum das b im Deutschen als h bezeichnet wird, bedürfte solcher Reisen in die Vergangenheit ... Ich hab zu all diesem Zeug schon manches gelesen -- und bald wieder vergessen. Hängen bleibt mir immer nur das, was ich als wesentlich und sinnvoll in das mir ersichtliche und bekannte System einbauen kann.

Und es ist ja schön, dass wir Menschen so viele Speichermöglichkeiten erfunden haben, um bei Bedarf dieses und jenes nachzulesen, immer wieder einmal ... und es dann auch wieder zu vergessen und sich neuen Verknüpfungen zu öffnen ...

Ich hoffe, dass meine Zeilen jetzt etwas verständlicher werden ... wurden ...  :)

Liebe Grüße

Jutta
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: Ole Lele am 08. Okt 2012, 19:17:07
Die böse Konvention, die uns die merkwürdigen Intervallbezeichnungen einbrockt, ist die, dass wir Töne nach diatonischen Buchstaben und Intervalle nach dem Buchstabenabstand benennen. So ist zwischen Tönen mit \"c\" vorne und solchen mit \"d\" immer eine Sekunde, sei sie nun \"groß\" (c-d), \"klein\" (cis-d), \"vermindert\" (cis-des) oder \"übermäßig\" (c-dis). Da zwischen den Leitertönen mal ein, mal zwei Halbtonschritte liegen, findet man unterschiedlich große Varianten der verschiedenen Intervalle, wenn man zwei beliebige Töne der C-Dur-Tonleiter kombiniert. Manche tauchen regelmäßig in zwei verschiedenen Größen auf (Sekunden, Terzen, Sexten, Septimen), da spricht man von \"groß\" und \"klein\", manche in nur einer, die nennt man \"rein\" (Primen, Oktaven, Quarten, Quinten). Bei den Quarten und Quinten gibt es zwei Ausnahmen: f-h (übermäßige Quarte) und h-f (verminderte Quinte). Beide Abstände betragen 6 Halbtonschritte, aber es liegen unterschiedlich viele Leitertöne dazwischen (f-g-a-h = Quarte, h-c-d-e-f = Quinte).

Das alles ist zugegebenermaßen ziemlich verwirrend, zeigt aber eher, was für komplexe Phänomene sich aus der simplen Durtonleiter ergeben, als dass die Konvention ungeeignet wäre.

Die Konvention zu hinterfragen, hilft, sie besser zu verstehen. Es ist auch gut zu wissen, wo die klassische Harmonielehre an ihre Grenzen stößt. Sie zu \"untergraben\" scheint mir hingegen nicht sinnvoll. Zwar kann man z.B. Intervalle auch in Cent ausdrücken und damit die Intervallstruktur eines Vollverminderten als (0,300,600,900) bezeichnen statt (1,b3,b5,bb7). Das ist letztlich das Gleiche wie Tabulatur statt Notenschrift zu verwenden. Der Großteil unserer abendländischen Musik beruht aber auf der Diatonik, so dass die Notenschrift unsere Tonhöhenvorstellung graphisch adäquat wiedergibt! Schon die Kinderlieder haben uns entsprechend geprägt, die Durtonleiter empfinden wir als natürliche Basis unserer Musik. Bei Notenschrift gelingt es mir daher viel eher, beim bloßen Lesen schon eine angemessene Klangvorstellung zu entwickeln, als bei der Tabulatur. Daher halte ich die klassische, an der Notenschrift orientierte Intervalltheorie für eine glücklichere Wahl als Ansätze, die zwar einfachere Regeln haben, gleichzeitig aber abstrakter sind.

Es gibt auch keine Unvoreingenommenheit gegenüber einem Akkord. Man erlebt ihn gefiltert durch die eigene Hörerfahrung und -erwartung und beurteilt entsprechend seine Spannungsverhältnisse. Tatsächlich erlebt man aber terzgeschichtete Vierklänge auch als solche - insbesondere den Vollverminderten. Daher wird man gerade als \"Unvoreingenommener\" darin einen weiteren Terzquintseptakkord hören und keinen Sextakkord. Auf die Idee kommt nur, wer das Rechnen anfängt. Oder wer in Griffschemata denkt, statt in Klangvorstellungen.

Viele Grüße
Ole
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: Juttalele am 08. Okt 2012, 20:11:42
Ich habe hier weder von ,,böser" Konvention gesprochen noch verstehe ich unter ,,untergraben" eine wertende Gegnerschaft, Abneigung oder was auch immer du evtl. aus meinen Zeilen herausgelesen (oder hineinprojiziert) haben magst.

Wenn bei mir im Keller ein Wasserschaden ist, dann trage ich zunächst alle Kartons in einen trockenen Nebenraum, packe die untersten aus, um die darin verpackte Ware zu untersuchen, ob sie nass geworden ist ... und finde beim Aufräumen das ein und andere aus alten Zeiten wieder ... dabei kommen alte Erinnerungen hoch, gleichfalls betrachte ich all das aus der Sicht der Gegenwart – und erlebe somit die Vergangenheit völlig neu, alles andere wäre langweilig. So macht mir auch das Aufräumen Spaß.

Und da für mich alles Spaß macht und machen soll und kann ... bewahre ich mir diese Herangehensweise ... was nicht bedeutet, dass ich jeden Tag meinen Keller leer räume, es gibt ja noch andere Zimmer im Haus und darüber hinaus einen Garten ... und andere Gebäude, Orte, Städte und und und ...

Der Wasserschaden steht in diesem Falle als Gleichnis für die Überflutung des Gehirns mit einer Fülle von Details, die auf mich einprasseln wie heftige Regenschauer. Ab einem bestimmten Punkt mache ich einfach dicht (dann regnets auch nicht mehr rein).

Was die Details betrifft, die du (und andere) angesprochen hast: Ich bin gar nicht so un-bewandert in alledem ;) ...

Also noch einmal so kurz gefasst wie möglich: Es geht nicht darum, das eine an die Stelle des anderen zu setzen, um es damit zu vernichten (was ohnehin nicht möglich wäre).

(... vielleicht sollte ich demnächst mal die obersten Regale bei mir im ,,Laden" leer räumen ... da stehen dicke verstaubte Ordner mit der Aufschrift ,,MUWI" ... 1. bis ... Semester ...")

Liebe Grüße aus dem Komposthaufen (bitte auch wieder nicht abwertend verstehen, das tun leider viele, die halten das für Dreck)

Jutta

 :)
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: Juttalele am 08. Okt 2012, 23:22:54
Als Ergänzung:

Ich finde das Notensystem übrigens keinesfalls verwirrend – verwirrend finde ich (z. B. auch in deinem Zitat) die Art und Weise der Vermittlung.

Wie ich bereits schrieb: Wenn ich die lineare Entwicklung, also die Geschichte der Notation gleichfalls mit der Entwicklung der Musikstile in Verbindung bringe und es auch so vermittle, gibt es einen roten Faden, an dem sich jeder orientieren kann.

D. h. ich würde nicht mit einer Jazz-Harmonie-Lehre anfangen, um das Pferd von hinten aufzuzäumen, sondern mit ganz einfachen einstimmigen Melodien. Die Mehrstimmigkeit ist noch gar nicht so alt ... die Notenschrift ebenso noch recht jung ... die Menschen leben aber schon ein paar Jahrtausende länger ...
Ja, im Grunde würde ich zunächst mit nur einem Ton beginnen! Mit Pfeil und Bogen vielleicht ... einer Saite ...
Aus diesem geht ja bereits der Dur-Akkord hervor.
http://www.lehrklaenge.de/HTML/die_obertonreihe.html
Damit hätte ich eine Grundlage, frei von kulturellen Konventionen.  D. h. Kultur- und Naturwissenschaft lassen sich durchaus auf einen gemeinsamen Nenner bringen.

Aber dieses ,,Zurück zum Ursprung", ,,Zurück zur Einfachheit" ... empfindet manch einer als ,,Rückschritt" – meiner Erfahrung nach vor allem jene, die sich in einem sehr komplexen und spezialisierten System eingerichtet haben und darin selbstverständlich zu Hause fühlen.

Das wäre alles kein Problem und ich würde schweigen ... wenn unser Bildungssystem auf diese Unterschiede Rücksicht nehmen würde! D. h. dass es ver-einzelt Spezialisten gibt, die es auf ihrem Gebiet zu herausragenden Leistungen bringen – während es auch viele Menschen gibt, die ein solches Bedürfnis gar nicht haben – deshalb aber keinesfalls weniger leisten und wert sind als die herausragenden Spezialisten. Sie nutzen ihre Zeit nur eben anders, flächendeckender vielleicht ... ragen nirgendwo sichtbar heraus ... und sind doch auf ihre Art etwas Besonderes und Einzigartiges.

Unser Bildungssystem nimmt darauf aber keine Rücksicht! Im Musikunterricht siegen meist jene, die ohnehin schon von Haus aus vorgebildet sind – auf eine Musikhochschule schaffen es noch viel weniger, die müssen bei der Aufnahmeprüfung fast schon ein Studium absolviert haben, um durchzukommen. Und hier dreht sich nun mal alles um die Schriftgelehrten in der Musikwelt! Ohnedem läuft da gar nichts. Und was für ein Stress mit alledem verbunden ist! Stunden und Stunden müssen die üben ... geraten dabei nicht selten in die Isolation ...

Musik war einst ein Kommunikationsmittel und hat sich zum (narzisstischen) Isolationsmittel verwandelt ...

Für mich jedenfalls gibt es hier nur einen Weg: Zurück zur Einfachheit. Dass es kompliziert geht, habe ich gesehen, was alles möglich ist und wäre ... aber wenn dabei die Lebensfreude auf der Strecke bleibt, ist all das (für mich) völlig wertlos.

Meine (wie immer) persönliche Sicht, die niemand teilen muss.
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: Gelli am 09. Okt 2012, 00:15:06
\"Musik war einst ein Kommunikationsmittel und hat sich zum (narzisstischen) Isolationsmittel verwandelt ...\"

Sehr interessanter Satz!



Aber das Ding mit all der Musiktheorie ist einfach..
Musik dient zur Expression von Gefühlen und zur Schaffung von Gefühlen und Welten. Menschen haben schon immer irgendwo Musik gemacht.
Und Menschen haben schon immer irgendwo Musik gehört. Im Laufe der Zeit haben sich soziale Gegebenheiten geändert, genauso wie menschen, genauso wie Musik, genauso wie Hörverhalten von Menschen.

Musik entwickelt sich stets weiter durch Musiker, die Musik von älteren Generationen hören, mich sich selbst vermischen und dann ganz intuitiv etwas Neues erschaffen. Und das permanent.

Musikwissenschaftler rennen da halt hinterher und probieren diese musischen Gegebenheiten und Phänomene in Formeln und Logik zu bannen. Was ihnen auch ganz gut gelingt. So kann ich nun einen Charlie Parker theoretisch analysieren und jedem Akkord eine generelle Bedeutung zuschreiben. Während er auf Heroin war und gespielt hat. Grob gesagt.


Also alles nicht zu dick sehen und spielen!


Beste Grüße!
Titel: Alternative Namen zu Akkorden
Beitrag von: Juttalele am 09. Okt 2012, 00:47:53
Zitat von: GelliMusikwissenschaftler rennen da halt hinterher und probieren diese musischen Gegebenheiten und Phänomene in Formeln und Logik zu bannen. Was ihnen auch ganz gut gelingt. So kann ich nun einen Charlie Parker theoretisch analysieren und jedem Akkord eine generelle Bedeutung zuschreiben. Während er auf Heroin war und gespielt hat. Grob gesagt.


Nun ja, auf Heroin zu sein ist für mich aber nun nicht DIE Alternative ;) ... sondern die andere Seite der Isolation.

Für mich ist das eine wie das andere ein menschliches Problem, ob das nun ein übermäßig theoretisierender Musikwissenschaftler ist, dem die Praxis fehlt -- oder ein exzessiver Musiker, dem die Selbstreflexion fehlt ...

In unserer Kultur ist das aus dem Gleichgewicht geraten, und ich sehe das, glaube ich, nicht \"dicker\", als es tatsächlich ist -- entsprechend werde ich es auch nicht schön reden.

Jeder Mensch ist ein potenziell Lernender und Forschender, jedes Kind lernt durch Probieren, Experimentieren, Beobachten, Fühlen, Auseinandernehmen, Zusammenbauen, Hinschmeißen, Anfassen ... jedes Kind singt, spielt, musiziert, badet in Musik, wenn es im Mutterleib heranwächst ... jeder hat das Zeug zum Wissenden und somit zum \"Wissenschaftler\" ...

Die Musikwissenschaftler, die ich kennen gelernt habe, die meisten zumindest, genau genommen bin ich ja selbst eine ;) ..., haben das Spielen verlernt, das Ausprobieren, das Forschen ... den Bodenkontakt verloren und damit auch ein gesundes Verhältnis zur Realität, zur Praxis, zu ihren Gefühlen ... echte Forscher gibt es unter ihnen nur wenige, die meisten lesen, studieren lesend, also im Kopf, während Körper und Seele hinterherhinken ... und wirken dabei nicht sonderlich glücklich.
Das andere Extrem, sich in der reinen Praxis, im reinen Spiel zu verlieren, ohne zu reflektieren, ist nicht unbedingt gesünder ... also wenn das Spielen zur Sucht wird.

Und was unser Schulsystem angeht, da kann ich auch nichts schön reden ...

Musik ... auf welche Weise kommen denn heute die Kinder mit Musik in Berührung? In ihrem Elternhaus? Welche Eltern machen zu Hause selbstverständlich Musik ...? Da werden CDs abgespielt, die Kinder gar damit alleingelassen, weil die Eltern zu wenig Zeit haben ... Musikunterricht bekommen manche Kinder, aber das auch nicht unbedingt, damit sie ihre Freude dran haben, sondern damit sie rasch etwas vorspielen können, am besten in der Schul-Aula im Beisein von Opa und Oma und den Nachbarn ... und lernen tun sie dort Stücke, die von den Lehrern ausgesucht wurden. Von einem bodenständigen, natürlich gewachsenen Umgang mit Musik kann da kaum noch die Rede sein ...

Ich spreche hier nicht von mir selbst, ich habe damit persönlich keine Probleme. Ich habe ein Ziel, meine Intention ist, dass ich alles mir mögliche tun will, um dazu beizutragen, dass die Menschen wieder glücklicher werden, und hier spielt die Musik eine entscheidende Rolle -- eben, wie du sagst, weil sie die Sprache der Gefühle ist.

Und da rede ich nichts \"dicker\" als es ist, eher dünner ;)

Wobei ich jetzt zu alledem genug geschrieben habe. Die verbale Sprache reizt zu vielen Missverständnissen ... die ich an dieser Stelle nicht alle immer wieder erklären kann und will.

Irgendetwas wird schon durchgesickert sein ... der Rest verfliegt dann einfach ...

Liebe Grüße

Jutta
EhPortal 1.39.6 © 2025, WebDev