\"Ur-Brüko\"

Begonnen von matzee, 17. Mai 2012, 19:28:46

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matzee

Beim Stöbern auf der Internetseite der Firma Brüko bin ich auf die Aussage gestoßen, dass die Brüder Kollitz schon in den 30er Jahren Ukulelen hergestellt haben.
Gibt es dazu im Internet weitere Informationen. Mich interessiert vor allem, ob die Ukulelen seitdem ihre Form behalten haben, oder ob sich diese im Laufe der Zeit verändert hat.
Hat hier jemand weitere Informationen oder vielleicht sogar ein Bild einer dieser \"Ur-Brükos\"?

hinnerk

Hallo Matthias, auf der Seite von \"Tonholz-Kollitz\" findest Du ein paar ergänzende Informationen. Ansonsten ist es schwierig, eine \"Ur-Brüko\" zu finden, vielleicht auf einem Flohmarkt in Neuseeland oder Australien. In den dreissiger Jahren war Rothau tschechisch (genauer seit 1918). Vor 1918 gehörte es zu Österreich-Ungarn. Ab 1938 dann zum deutschen Reich. Allein diese politischen Umstände und die damit verbundenen wirtschaftlichen Verhältnisse machen es heute schwer, die Geschichte eines dieser Instrumente zu verfolgen. So liefen ein Großteil der Geschäfte der tschechischen Instrumentenbauer nach 1918 weiter über Markneukirchen (u.a. wegen hoher Zölle), was wiederum den amerikanischen Musikmarkt ärgerte, weil der zu Recht durch den direkten Import günstigere Preise erhoffte.
Kollitz produzierte in großem Umfang Ukulelen, Hr. Kollitz senior erzählte von 1000er Chargen, die regelmäßig das Haus verließen Richtung England, Australien, Neuseeland. Die Labels/Marken/Namen wurden in den Handelsfirmen oder in den britischen Handelshäusern angebracht, erst später bei entsprechendem Vertrauen bei Kollitz selber. Ein Handelsboykott zwischen Amerika und England verbot später nach dem zweiten Weltkrieg den Export von Musikinstrumenten von A. nach E., das war die große Chance für die Instrumentenbauer aus dem ehemaligen Sudetenland, die sich größtenteils im Raum Erlangen (vor allem Bubenreuth) niedergelassen hatten und damit ganz schnell wieder zu großen Exporteuren wurden. Das betraf natürlich auch die Firma Kollitz. Eine Firma die seit den dreissigern Ukulelen baute war die Firma Jakob Winter (früher in Schönbach), die hatte sich nach dem Krieg in Nauheim niedergelassen und Mitte der 50er bis Ende 60er weiter Ukulelen hergestellt und vertrieben. Davon weiß heute kaum noch wer, selbst in der Firma gibt es nichts mehr über diese Zeit. Nach mehreren Besitzer-wechseln ist die Firma wieder in Familienbesitz, aber es gibt keine Unterlagen mehr.
Ich hatte im Thread \"Geschichte der Ukulele in Deutschland\" mit Nachforschungen begonnen, inzwischen viele Gespräche geführt, viel gestöbert und gelesen - und immer noch hab ich das Gefühl, noch nicht sehr weit gekommen zu sein.

matzee

Vielen Dank für die informativen Antworten. Sehr interessant, dass die gefertigten Ukulelen vor allem in die Britischen Kolonien gelangt sind.  Irgendwie verrückt, dass keine hundert Jahre später der Handel mit Musikinstrumenten seine Richtung umgekehrt hat. Die meisten Ukulelen in Deutschland kommen heute ja aus Übersee.

Bemerkenswert wie sich die \"Weltgeschichte\" in der Geschichte der Ukulele in Deutschland bzw. in den deutschsprachigen Gebieten widerspiegelt. Habe jetzt mit großer Aufmerksamkeit den Thread \"Geschichte der Ukulele in Deutschland\" gelesen. Danke hinnerk für die viele Mühe. Wenn du einmal ein Buch mit deinen Erkenntnissen veröffentlichst, werde ich einer der ersten Käufer sein. :)

Uketeufel

Ich bin ein Prootcher!

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hinnerk

Hallo Matthias, noch eine Spur: Nachdem Kollitz in den 30ern u.a. für Boosey in England produzierte, könnte man anhand von deren Handelsnamen eine \"Ur-Brüko\" finden. Handelsnamen von Ukulelen der \"Czechoslovak Music Co.\" (über diese Agentur wurden die Instrumente z.B. vertrieben) waren: \"Art Moderne\", \"Cheerleader\", \"Happy Days\", \"Harold Teen\", \"Johnny Marvin\". Vielleicht hilft Dir das weiter.


hinnerk


hinnerk

Das habe ich inzwischen für Dich gefunden: http://www.ukuzoo.com/Detail/0/511 vielleicht trifft es die Suche noch besser

matzee

Vielen Dank Axel! Auf den ersten Blick scheint sich kaum etwas verändert zu haben. Vielleicht ist die Form einen Hauch \"bauchiger\" geworden.
Aber im Grunde könnte das schon als eine Nr. 4 durchgehen.

Finde es echt unglaublich was du hier auf die Beine stellst, Alex. Wie gesagt, sobald dein Buch draussen ist, wird es von mir gekauft!
Bis dahin verfolge ich gespannt deine Nachrichten im Forum weiter!
Und weiter gute Besserung!

hinnerk

Da war eindeutig Etikettenschwindel am laufen, in der \"Music Trade Review\" wurde das öfters thematisiert. Unter anderem daß die Markneukirchner vorher auch sozusagen \"östereichische\" Instrumente (also vor 1918 gefertigte) aus Schönbach und Umgebung sowie aus Graslitz und Umgebung (auch Rothau) als \"deutsche Fertigung\" kennzeichneten. \"Made in Germany\" verkaufte sich halt gut. Abgesehen davon war es auch üblich, Einzelteile aus Böhmen erst in Markneukirchen zum fertigen Instrument zusammenzubauen (Im Falle Brüko sicher nicht der Fall).  Die Tschechen hatten  einen regelrechten \"Handelskrieg\" mit den Markneukirchnern gestartet, weil sie natürlich ihre Produkte direkt verkaufen wollten und nicht über den Umweg Markneukirchen. Sie gründeten dafür eine Handelsgesellschaft. Agenten berichteten in der Music Trade Review davon und wiesen die Einkäufer an, direkt bei der Handelsgesellschaft zu kaufen und nicht mehr bei den alten Markneukirchner Verbindungen (auch aus Kostengründen). Gleichzeitg wurden die alten Verbindungen auch von Seiten z.B. der Schönbacher weitergepflegt. Es ging da ziemlich verworren zu und um einen richtigen Eindruck davon zu bekommen, muß man viel in den Originaldokumenten stöbern; es wurden im Lauf der Zeit viele Legenden geschaffen und in der Literatur zementiert, davor warnten mich die Leute im Museum und etliche, die wissenschaftlich am Thema dran sind.