Wie rein ist bundrein?

Begonnen von Marcel, 09. Apr 2013, 20:21:51

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Marcel

Hi,

nachdem ich ja am Freitag mal bei Goschi zu Besuch war, hab ich auch mal versucht, meine Uke nach Gehör zu stimmen... höchste Saite auf \"a\" und die restlichen Saiten dann danach gestimmt.

Dabei ist mir aufgefallen:

Wenn ich die so stimme, dann ist zB meine high g Saite zu tief... bzw. andersrum: Ich stimme die high-g nach Stimmgerät und mein a im zweiten Bund ist zu hoch.

Wieviel darf/soll/kann sowas abweichen, damit das noch als bundrein zählt?

Mir ist klar, dass gleichschwebend temperierte Instrumente immer einen Kompromiss über die Tonarten eingehen müssen. Aber sollte nicht gerade DANN jeder Griff in jedem Bund beim Stimmgerät ein grünes Licht geben?


Wie könnte man das beheben, wenn es sein müsste? Kerben im Sattel tiefer machen?


Gruß, Marcel

der Neue

Hi Marcel, ich denke wenn du deine Ukulele - wie auch immer gestimmt hast - und sie dann im 12. Bund ebenfalls stimmt, dann ist deine Ukulele schon mal ganz gut. Dann ist sie oktavrein.

Ich besitze keine komplett bundreine Ukulele. Wer eine hat, soll sich bitte melden ;)
Auch meine Gitarren sind nur oktavrein, nicht bundrein. Es soll aber solche Instrumente geben, bei den Konzertgitarren ist das dann so die Liga ab rund € 3000.- und mehr.
Klar, je besser die Verarbeitung, um so größer kann die Genauigkeit sein. Wenn wir ehrlich sind, so müssen wir doch zugeben, dass meist noch nicht einmal alle vier Saiten oktavrein sind.

UkeDude

Ja ganz bundrein bekommst Du, mit einem Bunddraht für alle Saiten, die Ukulele bzw Gitarre  nicht. Daher gibt es auch so ganz abgefahrene Gitarren wo jeder Bund auf jeder Saite einzeln einstellbar ist.  Die sind dann bundrein. :D

Guchot

Jo, und die abgefahrenen Gitarren sehen dann z.B. so aus :)

UkeDude

Jo genau. Hab nicht mehr gewusst wie der heißt.  Hat da schon jemand mal angefragt ob er auch Ukulelen macht? :D

x-berger

Die Saiten und die eigene Technik spielen da auch so stark mit rein, dass absolute Bundreinheit wohl eher in den Bereich der Mythen und Legenden zählt...

Marcel

Wahnsinn, das hatte ich auch noch nicht gesehen..
Danke!


Aber (ich weiß zwar nicht mehr, ob das noch hier dann reinpasst): Wie stimme ich die Ukulele dann? Alle Leersaiten nach Stimmgerät? Oder auf jeder Saite das A nach Stimmgerät? Oder doch auf\'s Gehör setzen und das beste hoffen?

wwelti

#7
Zu dem Thema (vor allem Ukulelen stimmen, Unreinheiten ausgleichen und so) hatte ich mal dieses Video gemacht:
http://www.youtube.com/watch?v=OcMUCyv_etI
Bitte technische Schnitzer und Inperfektionen zu entschuldigen.

Tja, um zu entscheiden, ob eine Ukulele bundrein ist, muß man erstmal eine klare Definition für den Begriff haben...

Ukulelen werden normalerweise auf die sogenannte \"gleichstufige Stimmung\" ausgelegt. Diese klingt nicht 100%ig rein, ist aber in allen Tonarten gut zu gebrauchen. Andere Stimmungen, wie sie früher gebräuchlicher waren, sind da \"wählerischer\", d.h. manche Tonarten dann klingen besser als andere.

Nun ist aber auch eine \"perfekte\" gleichstufige Stimmung schwer zu erreichen. Nicht nur muß die Ukulele dafür auf den Zehntelmillimeter genau gefertigt sein, auch die Saiten müssen fehlerfrei sein. Das sind sie aber in der Praxis meistens nicht. Selbst bei hochwertigen Saiten gibt es praktisch immer leichte Inhomogenitäten, diese wirken sich mal mehr, mal weniger aus.

Wenn ich ganz genau sein will, wäre wohl keine meiner Ukulelen wirklich 100%ig bundrein. Doch wenn die Abweichungen von der \"Perfektion\" sehr klein sind, spielen sie beim Musizieren kaum eine Rolle, und man kann auch einiges beim Spielen ausgleichen. Meine besseren Ukulelen intonieren jedenfalls schon sehr gut. Vor allem die Glyph und die Ukumele Akazie Sopran zeigen sich hier von ihrer besten Saeite. Die Glyph ist so gut, daß ich jegliche Abweichungen (die kaum feststellbar sind) den Saiten in die Schuhe schiebe ;) (Tatsächlich war beim ersten Saitensatz die G-Saite etwas daneben. Der jetzt aufgezogene Saitensatz intoniert wirklich deutlich besser.)

Viele Grüße
  Wilfried

charangohabsburg

#8
Zitat von: MarcelWahnsinn, das hatte ich auch noch nicht gesehen.
Ich nehme an Du hast Dich dabei auf die \"abgefahrenen Gitarren\" bezogen. Die werden immer wieder mal  neu erfunden...



Das Bild entstammt der Publikation Instructions to my Daughter for playing on the Enharmonic Guitar des englischen General T. Perronet Thompson, aus dem Jahr 1829. Der in England tätige Gitarrenbauer Louis Panormo baute Gitarren gemäss Thompsons Anleitung  (sie unterschieden sich nur durch das Griffbrett und die Anordnung des Stegs von Panormos \"normalen\" Gitarren), das System hatte sich jedoch nicht einmal ansatzweise durchsetzen können, und geriet schon bald mehr oder weniger in Vergessenheit. Eine dieser enharmonischen Panormo Gitarren befindet sich im Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig.

Gruss,
Markus

Nachtrag vom 25.4.2013:
In der Médiatheque de la Cité de la musique, Paris findet man hier noch ein paar Bilder einer Guitare à tempérament réglable des Instrumentenvbauers René Lacote, von 1852 (für die Bilder nach unten scrollen).

Guchot

Das Problem bei diesen verstellbaren Bünden ist, das man eigentlich auch bei jedem Saitenwechsel auch die Bünde erstmal wieder ausrichten müßte. Ich glaub an den Dingern ist man mehr am Einstellen als am Spielen :mrgreen:

wwelti

Im Prinzip benötigt man diese verschiebbaren Bünde auch nur, wenn man entweder eine nicht-gleichstufige Stimmung spielen will, oder wenn man Ungenauigkeiten von Saiten bundgenau ausgleichen will. Ist eine präzise gleichstufige Stimmung das Ziel, so kommt man auch mit einer \"normalen\" Bundierung sehr weit. Eine präzise Einstellung der Saitenlage, sowie eine Einzelsaitenkompensation an der Stegeinlage (jeweils passend zur Bundierung und zum Saitentyp) genügen normalerweise, ein auch in den höchsten Bünden sehr gut \"gleichstufig\" intonierendes Instrument zu erhalten, wenn die Saiten gut sind. Wer behauptet, man braucht dafür verschiebbare Bünde, will vor allem verschiebbare Bünde verkaufen.

Damit man überhaupt was mit verschiebbaren Bünden anfangen kann, muß man sowieso erstmal in der Lage sein, vernünftig zu stimmen. Da viele einfache Stimmgeräte bei weitem nicht zuverlässig aufs Cent genau sind, und viele Spieler auch nicht die Erfahrung haben, die Qualität von Saiten zu beurteilen (was nützen verschiebbare Bünde, wenn die Saite beim Spielen leiert, und der Ton sich ständig verschiebt?), ist das sowieso für viele schon die größere Hürde.

Ich plädiere daher für:
- Lernt stimmen, möglichst nach Gehör (meiner Meinung nach ist das in der Praxis besser als ein durchschnittliches Stimmgerät, wenn man etwas Übung hat. Schon deshalb, weil man so für die Mehrklänge, die man tatsächlich spielt, reiner stimmt).
- Ukulelen dürfen ruhig präzise bundiert, eingestellt und einzelsaitenkompensiert sein, das bringt auch mit normalen Bünden wirklich viel.
- Wenn eine Saite leiert oder schlecht intoniert, kann man sie austauschen. Soo teuer sind Ukulelensaiten ja nicht. (Manchmal hilft auch umdrehen.)
- Wer noch genauere Intonation will, kann sich für einen bestimmten Satz Saiten (sofern dieser gut ist) eine einzelsaitenkompensierte Stegeinlage feilen. Da es hier für verschiedene Saitentypen jeweils ein unterschiedliches Optimum gibt, kann das nochmals was bringen.

Davon abgesehen will ich keine verschiebbaren Bünde. Ich stelle mir das auch etwas unangenehm beim Spielen vor: Überall zusätzliche Ecken und Kanten. Für Bending ist das sicher auch nicht das Wahre.

Meine Meinung.

Viele Grüße
  Wilfried

howein

#11
Ich hab mir das jetzt alles noch mal durchgelesen ... sehr interessant und von der Theorie her auch nachvollziehbar.

Aber ... welcher, auch erfahrene, \"Normalspieler\" kann diese Feinheiten über ein sorgfältig eingestelltes Instrument hinaus überhaupt noch wirklich hören? Ist das nicht nur der typisch deutsche Hang zu übertriebener Perfektion, praktischer Nutzen eher nebensächlich, Hauptsache tolle Messwerte ...?  ;)  

Man hat mir früher ein sehr gutes Gehör bescheinigt ... aber auch damals hat mir meine sorgfältig eingestellte Gitarre (Klassisch) völlig ausgereicht, ich habe auch bei sehr viel höherwertigen Instrumenten von Berufsmusikern nur bei sehr sorgfältigem Hinhören wenn überhaupt nur minimalste Unterschiede festgestellt ... und auch da bin ich mir nicht sicher ob ich mirs nicht nur eingebildet habe ...
Und wenn ich mir z. B. die Member-Beispiele bei Youtube anhöre ... es gibt nur ganz wenige denen ich da ein so gutes Gehör zutrauen würde solche extreme Feinheiten noch zu hören. Was jetzt keine Wertung oder gar Abwertung sein soll - ich finde ohnehin, gerade bei den eher \"unperfekten\" Sachen kommt oft sehr viel mehr rüber ... etwas das man nicht messen oder einstellen kann ... Gefühl, Stimmung, Freude und Begeisterung ...  :D

wwelti

Wenn es z.B. um den Unterschied zwischen temperierten und mitteltönigen Stimmungen geht -- den kann man ganz bestimmt gut hören. Das ergibt nämlich ein deutlich anderes Klangbild.

Wenn es nur um eine präzise gleichstufige Stimmung geht -- diese erreicht man m.E. (wie ich schon schrieb) auch ohne verschiebbare Bundstäbchen sehr genau. Genau genug jedenfalls, daß sich die Variation der Intonation durch unterschiedlichen Druck beim Greifen der Saiten bei normalem Spiel deutlich stärker auswirkt als die Abweichungen des Instruments von der gleichstufigen Stimmung. Ein Instrument, bei dem dies der Fall ist, würde ich als \"hervorragend intonierend\" bezeichnen, und das erreicht man auch mit festen Bundstäbchen.

Ob man nun lieber einen schrägen oder geraden Klang haben möchte ist die andere Frage. Verstimmen kann man aber auch ein präzise intonierendes Instrument. ;) Eine gute Stimmung, in der wichtige Mehrklänge schön intonieren, ist aber schon etwas feines. Das ermöglicht dem Instrument auch, viel schöner mitzuklingen.

Ich bilde mir ein, auch bei professionelleren Musikern gewisse Unterschiede zu hören. Wobei die meisten Profis schon sehr gut sind und wissen was sie tun.

Ein gutes Instrument und eine gute Beherrschung desselbigen steht meiner Meinung nach Gefühl, Freude und Begeisterung beim Spiel nicht entgegen! ;)

Viele Grüße
  Wilfried

howein

#13
Zitat von: wweltiWenn es z.B. um den Unterschied zwischen temperierten und mitteltönigen Stimmungen geht -- den kann man ganz bestimmt gut hören. Das ergibt nämlich ein deutlich anderes Klangbild.
Das ist klar, verschiedene Stimmungen als solche kann man natürlich hören ... aber es ging ja ursprünglich um die Bundreinheit bei normaler Stimmung, \"Wie rein ist bundrein\".
ZitatEin gutes Instrument und eine gute Beherrschung desselbigen steht meiner Meinung nach Gefühl, Freude und Begeisterung beim Spiel nicht entgegen! ;)
Ganz bestimmt nicht ...  ;)
Aber bei den \"Perfekten\" ertappe ich mich immer wieder, dass ich zwar der Leistung Anerkennung zolle ... das sie aber in ihrer manchmal reinen Perfektion auch austauschbar werden ... dass eher Unperfektes auf mich oft \"menschlicher\" wirkt, der Funke eher überspringt ...
Aber um zum Ausgangpunkt zurück zu kommen ... wenn wir von normale Spielern reden, und normalen in Normalstimmung sorgfältig eingestellten Instrumenten ... wer kann darüber hinausgehende Feinheiten, auch wenn sie sicher vorhanden und messbar sind, wirklich noch hören ...

wwelti

#14
Ich bin ja der Meinung, daß jeder wirklich hervorragende Musiker so viel Individualität in seinem Spiel hat, daß er auf seine Art unverkennbar ist. Ich behaupte auch, daß jeder wirklich gute Musiker ein hohes Maß an Kontrolle über sein Instrument hat. Auch wenn er ein \"scheppes\" Instrument spielt das manchmal schepp klingt, so klingt es doch genau auf die Art schepp, wie es der Musiker will!

Ich habe schon oft Musiker mitten im Spiel ihr Instrument nachstimmen gesehen, wenn die Stimmung nicht 100%ig ihrer Intention entsprach. Das geht manchmal so schnell daß man es kaum mitbekommt.

Dann bleibt noch die Frage: Nur weil man etwas nicht bewusst mitbekommt (z.B. Unterschiede in der Intonation) -- bedeutet das dann automatisch, daß es keine Wirkung hat? Vielleicht findest Du ja z.B. einen Akkord deshalb besonders stimmungsvoll, weil der Musiker es eben verstanden hat, ihn genau passend erklingen zu lassen? Oder findest, er klingt nicht ganz so überzeugend, wenn der Musiker noch nicht so viel Erfahrung hatte, und darum die Intonation ungünstig war?

Letztendlich ist Musikgeschmack immer noch sehr subjektiv, aber meiner Meinung haben viele Menschen ein genaueres Gehör, als sie selbst wissen. Musik, ihre Wirkung, und Musikgeschmack... das sind sehr komplizierte Themen, da könnte man viel drüber schreiben und sagen.

Aber eins ist klar: Hervorragende Kontrolle über ein Instrument ermöglicht nicht nur \"austauschbares\", sondern auch ausdrucksstarkes und individuelles Spiel.

Es bleibt natürlich jedem unbenommen, auch einen Mangel an Beherrschung des Instruments als künstlerisches Ausdrucksmittel aufzufassen. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. ;)

Viele Grüße
  Wilfried