Quart-Stimmung versus Terz-Quart-Stimmung

Begonnen von blanki, 09. Nov 2014, 20:39:48

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blanki

Kann man vereinfacht sagen, dass eine reine Quart-Stimmung besser geeignet ist für das Spielen von
Läufen/Riffs/Melodien und die Terz-Quart-Stimmung das Spielen von Akkorden vereinfacht?

In einem anderen Thread ist die
Frage aufgekommen, welche Nachteile eine G-C-E-A-Stimmung auf einer Bass-Ukulele hätte.

Da ich nur die G-C-E-A gewohnt bin (von der Ukulele) und in unserem Ukulelen-Orchester gerade die Bass-Stimme bediene,
finde ich den Gedanken einer G-C-E-A-Stimmung für den Bass ganz reizvoll, da ich dann keine neuen Griffe
lernen muss.

Kann mir jemand die Vorteile der Quartstimmung erklären?

The Ukelites

#1
Ja, das kann man (IMHO). Der Vorteil: alle Saiten haben eine gleichbleibendes Intervall-Verhältnis zueinander:

Die meisten Bassisten denken in Intervallen: Man kennt zwar sein Griffbrett, d.h man weiß, wo die Prim (Grundton) liegt, besonders in den niedrigeren Lagen (Beispiel: G = 3. Bund tiefe E-Saite), aber ab da denke ich in Intervallen,  z.B. die

Dur Terz: 1 Saite rauf, 1 Bund nach links
Quinte: 1 Saite rauf, 2 Bünde nach rechts
Oktav: 2 Saiten rauf, 2 Bünde nach rechts
Major 7: 1 Bund links von der Oktav, Dominant 7: 2 Bünde links von der Oktav
Die 9 logischerweise 2 Bünde rechts von der Oktav (vermindert oder erhöht: einfach 1 Bund nach links bzw. noch rechts)

Das ist ein leicht zu merkendes grafisches Bild und dieses Bild kann ich bei der Quartenstimmung  auf jeden Bund verschieben oder (und hier liegt der Vorteil): nicht nur von der E-Saite (die tiefste), sondern auch eine Saite höher (von der A-Saite) und sogar (zumindest bis zur Quint oder Sext) von der nächst höheren Saite (D).

Mit diesem System kannst du mit ein wenig Übung auch schwierige Changes spontan improvisiert interessant begleiten. Dies würde auch mit jeder anderen Stimmung gehen, bei der alle Saiten das gleiche Intervall-Verhältnis zueinander haben (z.B. Quintenstimmung), aber der Fingersatz ist bei der Quartenstimmung recht angenehm.

Gruß
Steffen

Edit: Im Übrigen musst du ja keine \"Griffe\" lernen, am Bass spielst i.d.R. Einzeltöne.

stephanHW

#2
Selten spielt man auf dem Bass Akkordbegleitungen. Es kommt vor, ist aber eher die Ausnahme.
Sind die Intervalle der Saiten gleich (Quartstimmung), sind die Griffschemata oder Akkordbilder für alle Töne gleich und können vom jeweiligen Grundton ausgehend gespielt werden. Hat das Kleinhirn einmal diese Bewegungsabläufe intus, hat man von jedem Grundton ausgehend sofort einen Sack voll Töne zur Hand, die man für die Gestaltung der Begleitung nutzen kann, ohne das sich an der Form der Fingersätze im Prinzip etwas ändern würde.
Das gleiche gilt nun auch für Akkorde, so man sie brauchen sollte (i.d.R. wird man eher Zweiklänge, seltener Dreiklänge nutzen).
Die Stimmung ist also universeller, als eine Ukulelenstimmung, bei der die Fingersätze/Griffbilder variieren müssen, je nachdem von welcher Saite ausgehend ich die Tonleiter/Figur/Melodie spiele.  
Schon für einfache Variationen mit der Quinte/Oktave hätte ich variierende Fingersätze. Auf einem Bass mit Quartstimmung hingegen bekommt man das auch ohne Gehirn hin.

Stimmt man den Bass GCEA, verliert man das tiefe F. Das ist bedauerlich, da die ersten Zehntausend Ukulelesongs, die man spielen lernt, vermutlich in F oder C gesetzt sind. Manch einer stimmt den Bass für Ukulelenbegleitungen daher nur einen Halbton höher, die tiefe Saite leer gespielt wäre dann das F.  Songs in E sind in Ukulelenkreisen nach meiner bisherigen Erfahrung eher die Ausnahme.

Nach meiner Überzeugung ist das Instrument in Quartstimmung wesentlich einfacher zu lernen und zu spielen.
Das es im Einzelfall für jemanden, der ausschließlich Ukulele spielt und sich da auf dem Griffbrett gut auskennt, einfacher sein mag, die Ukulelenstimmung zu übernehmen, ist ja gut möglich.

Spieltechnisch würde ich das nicht empfehlen.

Tente Edit: Steffen war schneller und genauer  ;)

blanki

Besten Dank für eure Antworten! Das ist sehr deutlich und anschaulich.

Malama

Danke, Stephan und Steffen, das habt Ihr sehr gut beschrieben!! :D

kmklw

Dennoch denke ich, dass alles möglich ist und es eine Frage des eigenen Herangehens ist. Manche Menschen denken beim Spielen in Bildern, andere wieder ganz anders - daher stelle ich die Frage: sind es wirklich die meisten Bassisten, die in Intervallen denken, wissen wir das?

Spiele ich Mandoline, in Quinten gestimmt, finde ich manche Stücke eben wegen der Stimmung einfach zu spielen - andere wieder nicht. So geht es mir bei Ukulele, Gitarre und Bass aber auch. Und so viele Gitarristen stimmen ihre Gitarren ja auch irgendwie, nur nicht in Standard-Stimmung.

Die jeweilige Standard-Stimmung bietet sich wohl auch deshalb an, weil man dafür das meiste Material/ die meiste Literatur finden wird.

ibongo

Zitat von: stephanHWAuf einem Bass mit Quartstimmung hingegen bekommt man das auch ohne Gehirn hin.

 :mrgreen:
Ho'omaluhia

stephanHW

#7
Zitat von: kmklwDennoch denke ich, dass alles möglich ist und es eine Frage des eigenen Herangehens ist. Manche Menschen denken beim Spielen in Bildern, andere wieder ganz anders - daher stelle ich die Frage: sind es wirklich die meisten Bassisten, die in Intervallen denken, wissen wir das?
Wenigstens wissen wir, das zwei Musiker unabhängig voneinander vergleichbare Gedanken äußern und das spieltechnisch, nicht jedoch mit der verfügbaren Literatur begründen.  Als des Lesens unkundiger darf ich das sagen.
Und Steffen seinerseits dürfte als Saxophonist und Steel-Guitar-Spieler nicht-linearen Herangehensweisen durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen.
Andere Erfahrungen mit alternativen Stimmungen kann man vermutlich nur empirisch darstellen. Nicht selten sind alternative Stimmungen zweckgebunden und erleichtern die Umsetzung bestimmter musikalischer Ideen.
Spiele ich mit drop-D Tuning, habe ich eine Quinte und drei Quarten, was zunächst eine Umstellung bedeutet. Auch da ist es so, das manche Figuren einfacher, andere problematischer zu spielen sind. Es wird nicht wenig überraschen, das die einfacher zu spielenden Figuren jene sind, die in dieser Stimmung geschrieben wurden  ;) .
Mit der Stimmung flüssig zu spielen ist einmal mehr lediglich eine Übungsfrage.

In dem Zusammenhang sind z.B. aber auch die Linkshänder interessant, die ihr Instrument einfach umdrehen, ohne die Saiten zu tauschen. Auch das geht und vermutlich ergeben sich daraus Möglichkeiten, die Rechtshändern verschlossen bleiben.

Jeff Healey konnte mit der Gitarre auf dem Schoß Akkorde spielen, die in konventioneller Spielweise unmöglich sind.

Was ist jedoch sinnvoll zu empfehlen?

kmklw

Zitat von: stephanHW........

Was ist jedoch sinnvoll zu empfehlen?


Das ist ja meine Frage.

stephanHW

Zitat von: kmklw
Zitat von: stephanHW........

Was ist jedoch sinnvoll zu empfehlen?


Das ist ja meine Frage.
Meine Antwort steht ja oben ;)
Und nicht ohne Grund hatte ich im Nachbarthread flora in ihrer Herangehensweise, eine Bassukulele zu nutzen, durchaus unterstützt. Sie macht es so, hat es sich so erarbeitet und ist damit zufrieden. Prima!
Möglicherweise entwickelt sich daraus eine sehr eigene und interessante Spielweise, die sich von anderen unterscheidet, möglicherweise ist es ab irgendeinem Punkt eine Sackgasse. Interessant ist es auf jeden Fall.

Ein System, das variabel auf die Verschieden Anlagen der Menschen/Musiker eingehen könnte, wäre eine reizvolle Vorstellung, dürfte für den Lehrer auch eine echte Herausforderung sein.

Als Ukulelenspieler, die sich mit der Schönheit einer wirklich absurden Stimmung beschäftigen (zwei Leersaiten im Sekundenintervall???), lassen wir uns die Spiel- und Experimentierfreude hoffentlich nicht von Empfehlungen wie meiner oben gegebenen austreiben.

Miguelito

#10
Ich kann mich Stephan und Steffen nur anschliessen. Ich denke auch in Intervallen, die ich mir visuell so wie von Steffen beschrieben eingeprägt habe. Einmal gemerkt, kann man das Muster auf dem ganzen Griffbrett anwenden und das ist dann viel einfacher und schneller in die Praxis umzusetzen, als bei der normalen aber nicht \"linearen\" Ukulelenstimmung. Für das Instrument Bass ist die Quartstimmung absolut sinnvoll und einem Anfänger würde ich auch keine andere Stimmung empfehlen, was nicht heisst, dass es keinen Spielraum für Experimente mit anderen Stimmungen gibt. Was wohl immer wieder irritiert ist die Bezeichnung Bass-UKULELE, denn trotz der 4 Saiten ist es keine \"tiefe\" Ukulele mehr, das endet bei der Baritonukulele. Ein UBass ist keine Ukulele auch wenn es so aussieht.
Die Ukulele ist in der Art in der sie gespielt wird mit der Gitarre verwandt,  also eher ein Melodieinstrument, der Bass eher ein Rhythmusinstrument, der das Bindeglied zwischen Beat und Melodie schafft. Das sind obwohl es natürlich viele Überschneidungen gibt, in der Tat zwei paar Schuhe. Heutzutage gibt es unheimlich viele Tipps und Anleitungen für Bassisten auf Youtube etc., das alles verbaut man sich wenn man eine ganz andere Stimmung verwendet. Da man aber nicht festgelegt ist auf eine Stimmung kann man ja auch alles mal ausprobieren. Ich hätte allerdings nicht den Mut meine Bass Ukulele auf G hochzustimmen, da hätte ich Angst dass mir alles um die Ohren fliegt, oder sich der Hals krümmt. Das sind dann schon ein paar Kilo mehr Zug, das kann nicht jedes Instrument vertragen.

Hier im Forum gibts übrigens eine super Anleitung für die Grundlagen mit dem normal in EADG gestimmten Bass ... guckst Du unter Workshops.

Viel Freude mit dem Instrument - wie auch immer Du es stimmst  ;)  Michael

FriendlyFred


Miguelito

Naja nicht ganz - auch der Bass ist in Quarten gestimmt - auch wenns nur zwei Saiten sind. Aber Danke für den Videotipp - was wieder mal bezeugt dass zwei Saiten mehr als Genug sind. Super! Genial im Übrigen auch die Einsaitige Gitarre: http://youtu.be/WR3MHzCVJ0k


kmklw

Zitat von: Miguelito......
Viel Freude mit dem Instrument - wie auch immer Du es stimmst  ;)  Michael

Ich bin nur gelegentlich überrascht, dass immer die Frage auftaucht, was eigentlich das Beste ist und viele Musiker dann so sichere Antworten parat haben. Mir geht es leider so, dass ich im Laufe meines Musikerdaseins immer wieder neue Ansätze kennenlerne und entdecke und dann immer zu dem Punkt komme, dass ich eigentlich - mit jetzt über 50 Lenzen - immernoch ganz am Anfang stehe.
Bei mir führt das Spielen nach Fingesätzen - was ich ja ebenso mache wie vielleicht die meisten Bassisten  ;) - häufig dazu, dass ich das Gefühl habe, dass ich eigentlich immer dieselbe \"Schei..\" spiele.
Und da will ich einfach meinen Kopf freimachen von Regeln und Mustern und Traditionen und eben neue Ansätze finden.
Da hilft mir dann eben auch das Lesen und Schreiben können und oft auch das Wissen um die Theorie (auch wenn ich weiß, dass man auch ohne all das ein genialer Bassist sein kann, Stephan - Du weißt, wie sehr ich Dich und Dein Spiel schätze!)

Im Unterricht merke ich, dass jeder Mensch seine eigenen Denkstrukturen und Herangehensweisen hat und möchte - das ist für mich die eigentliche Herausforderung des Unterrichtes - erkennen und helfen, diese zu nutzen. Und in diesem Sinne: \"Ich weiß, dass ich nichts weiß\" (Sokrates?) und je mehr ich meine zu wissen, desto schwieriger ist für mich eine eindeutige Antwort auf einfach Fragen.

Auweia, soweit zur Philosophie-Stunde mit kmklw  :?  und nicht, dass hier der falsche Eindruck entsteht - ich mache Musik, weil es mir Spaß macht.

Gruß aus Berlin,
Michael