Wieder einmal ne Low-G Frage

Begonnen von Guchot, 17. Aug 2009, 10:52:40

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Guchot

Nachdem ich Anfangs die Low-G Stimmung als \"nicht Ukuleletypisch\" rigoros abgelehnt habe, hab ich vor ein paar Tagen meine Tenor doch mal mit einer tiefen G-Saite ausgestattet. Und was soll ich sagen? Der Klang gefällt mir jetzt deutlich besser. Es fehlt zwar in der Tat das Ukulelentypische, aber ich finde den Klang jetzt viel wärmer und runder. Aber um die Vor- und Nachteile von High- oder Low-G solls hier gar nicht gehen... Ich hatte das einem Bekannten erzählt, der ein sehr guter Gitarrist ist, und er hatte die Ansicht das die Ur-Stimmung der Ukulele evtl. wirklich eine Low-Stimmung gewesen sein könnte. Also alle Saiten in der selben Oktave und von tief nach hoch. Die hohe Saite macht ja auch gerade beim Melodiespiel nicht wirklich viel Sinn.
Ich hab mich also mal schlau gemacht und sowohl die Braguinha als auch das Cavaquinho, von denen die Uke ja wohl abstammt, weisen in der Tat eine... wie soll ichs nennen? Aufsteigende Stimmung?... auf. Könnte es sein das die Uke auch ursprünglich so gestimmt war und man irgendwann die hohe G-Saite eingeführt hat weil man merkte das der kleine Koprus mit den Basstönen nicht zurecht kam? Oder waren die damals erhältlichen Saiten vielleicht nicht so beschaffen das ein Low-G (oder A) Sinn machte?
Vielleicht hat der eine oder andere dazu eine Meinung oder vielleicht sogar Informationen. Aber bitte... keine Grundsatzdiskussion über High oder Low ;)
Grüßle
Guido

wwelti

Moin Guido,

Ehrlich gesagt ist es mir fast egal. Tatsache ist daß Ukulelen schon sehr lange auch mit re-entrant Stimmung gespielt werden, die Stimmung mit hohem G ist also schon sehr ukulelentypisch. Weiterhin gibt es sehr viele spieltechnische Aspekte, die mit der hohen G-Saite zum tragen kommen -- da ist Low-G für mich kaum eine Alternative, das ist dann für mich eher eine verhungerte Gitarre...

Re-entrant Stimmungen waren früher bei kleinen Instrumenten nicht unüblich, z.B. Renaissance- oder Barock-Gitarren, die kanarische Timple, und es gibt sicher noch mehr... oft wurde auch mit verschiedenen Stimmungen experimentiert. Ich kann mir sehr gut vorstellen daß die Braguinha der portugisischen Einwanderer halt eine sehr kleine Ausführung war, und deshalb eine re-entrant Stimmung hatte.

Vielleicht weiß ja jemand mehr.
Gruß, Wilfried

RISA

Alle Töne in der selben Oktave hast du bei high-G-Stimmung! Bei low-G ist das G unter dem C und damit in der darunter liegenden Oktave.

Mit 100%-iger Sicherheit ist die Ukulele ursprünglich mit high-G gestimmt worden. Die Braguinha hatte wahrhaftig eine aufsteigende Stimmung und Stahlsaiten. Die Cavaquinho hat sich auch von der Braguinha in Südamerika weiter entwickelt, ähnlich wie die Ukulele in Hawai\'i.

Der Grund liegt in der Saitenherstellung. Die Herstellung von Saiten war eine große Kunst in der damaligen Zeit. Die gesamte Zunft der Saitenhersteller hat ihren Ursprung im italienischen Städtchen L\'Aquila. Deshalb hat Mimmo seine Saitenfirma auch Aquila genannt. In diesem Städtchen haben die Saitenhersteller D\'Addario, Mari, La Bella u.v.m ihren Ursprung. Die portugiesischen Seefahrer hatten weder das Know-How noch die Ausstattung Stahlsaiten herzustellen. Deshalb ist man auf Darmsaiten ausgewichen. Dicke Darmsaiten, wie sie für eine low-G-Stimmung benötigt werden sind jedoch nicht nur schwer herzustellen, sondern bei der Luftfeuchtigkeit extrem anfällig bzw. nur sehr kurz haltbar. Ich vermute, dass man deshalb auf die high-G-Stimmung gekommen ist.

Guchot

Danke für eure Beiträge :)

@wwelti: Wilfried, für mich ist das auch nicht kriegsentscheidend ;) Ich spiel das was mir am besten gefällt, das ist momentan auf der Sopran High-G und auf der Tenor Low-G. Was ich mit der Konzert mache entscheide ich wenn die Lieferung von Rigk mit den Woth und Aquilla Low-Gs da ist *ggg* Mich interessieren einfach nur die historischen Hintergünde.

@RISA: Danke Rigk :) Mit den Tönen in einer Oktave hab ich mich falsch ausgedrückt. Aber Deine Erklärung hört sich sehr logisch an :)

@Goschi: Auch ne interessante Seite die ich noch nicht kannte :)

Poltergeist

Alle alten Ukulelenschulen, die ich kenne, erwähnen ausschließlich die reentrante Stimmung. Das macht für die Ukulele als Rhythmusinstrument auch Sinn, da dadurch der Klang durchsetzungsfähiger wird.

Andererseits gibt es genügend Beispiele für die Verwendung einer nichtreentranten Stimmung: Israel Kamakawiwo\'ole oder Ohta-San etwa. Beiden kann man schwerlich vorwerfen, dass ihre Ukulelen nicht nach Ukulele klingen.

Und was Braguinha, Cavaquinho, Rajao, Timple und hassenichgesehn angeht: die Vielfalt der Saiteninstrumente auf der iberischen Halbinsel und den von den Spaniern und Portugiesen besiedelten Inseln ist unüberschaubar. Und die verwendeten Stimmungen waren wahrscheinlich von Spieler zu Spieler genauso unterschiedlich wie sie es heute immer noch sind, eher mehr noch. Exakt zu sagen, von welchem Instrument in welcher Stimmung die Ukulele jetzt abstammt, halte ich für unmöglich.

Jan

Vielleicht noch ein Aspekt:
Man geht wohl beim Banjo, das ja auch re-entrant gestimmt wird, davon aus, dass es eine amerikanische Weiterentwicklung des westafrikanischen ngoni ist - dafür sprechen neben der Stimmung auch das Fell mit dem darauf sitzenden Steg sowie die Tatsache, dass viele der deportierten Sklaven ihnen vertraute Instrumente entweder mitgenommen oder zumindest nachgebaut haben.

Wer weiß schon, inwieweit diese Art, Saiteninstrumente zu stimmen, nach Hawaii geschwappt ist? Vielleicht gab es bei \"Einführung\" der Ukulele auf den Inseln bereits re-entrant gestimmte banjo- bzw Ngoni-ähnliche Instrumente und man hat das einfach übernommen, weil es geil klang?

Wenn man die Entwicklung der Gitarre verfolgt und irgendwann in Persien beim Oud landet, wundert einen nichts mehr... :mrgreen:

Floyd Blue

#6
Zitat von: JanVielleicht noch ein Aspekt:
Man geht wohl beim Banjo, das ja auch re-entrant gestimmt wird...

Das kenne ich aber nur vom 5-String Banjo (oder der Banjolele). Alle anderen (mir bekannten) Banjos, wie Tenorbanjo, Mandolin-Banjo, Gitarrenbanjo werden linear gestimmt.

Poltergeist

Alle anderen sind aber auch wesentlich jüngere Versionen, die den Banjoklang für Spieler anderer Instrumente nutzbar machen wollten...

Floyd Blue

Zitat von: kāne ipu sanAlle anderen sind aber auch wesentlich jüngere Versionen, die den Banjoklang für Spieler anderer Instrumente nutzbar machen wollten...

Sind es deshalb keine Banjos?

Jan

:mrgreen:
Klar sinds welche!
Aber in unserem Zusammenhang geht es doch um das \"Ur\"Banjo.

H a n s

Lebe Deine Träume, als ein Leben lang nur zu träumen !!

Floyd Blue

#11
Mmh - nachdenk - grübel - ich dachte es geht um die Ukulele und Low G???

Danke Hans!

DerZopf

#12
Nein- es geht um Proto-Banjos aus Wollnashornknochen mit Riesenfaultierfell und Säbelzahntigerdickdarmsaiten...

 :mrgreen:

charangohabsburg

Zitat von: RISADie portugiesischen Seefahrer hatten weder das Know-How noch die Ausstattung Stahlsaiten herzustellen. Deshalb ist man auf Darmsaiten ausgewichen.
Das scheint mir aber doch eine verwegene Theorie zu sein: Seefahrer, welche Darmsaiten für ihre Instumente selber herstellen... Naja, möglich ist es natürlich. Es wäre interessant Quellen über saitenherstellende Seefahrer zu haben.

Tatsache ist jedoch, dass Darmsaiten seit jeher extrem teuer waren (heute sind sie im Vergleich billig). Gerade gegen Ende des 19. Jhdts. trugen die Stahlsaiten wegen ihrem vergleichsweise sehr tiefen Preis wesentlich zur Verbreitung der Gitarre bei.

Das würde nun ja nicht unbedingt für die Umstellung von Stahl-auf Darmsaiten sprechen. Aber Stahlsaiten waren bestimmt nicht erste Wahl für den monatelangen Transport über die Ozeane - ich denke dabei an die Korrosion durch die salzgeschwängerte Luft. Als Handelsgut ist das noch vorstellbar (ein Satz Saiten kann man einfetten), aber ein mit Stahlsaiten versehenes Gebrauchsinstrument an Bord.... Wenn ich musizierender Seefahrer wäre, würde mich ev. nach einer Alternative umsehen ;)

@ Goschi: Interessante Abhandlung, auf die Du verweist! Da wird undogmatisch auf gewissse geschichtliche Gegebenheiten zu den Stimmungen verwiesen. Die Gründe für Änderungen in der Stimmung eines Instruments wurden leider selten schriftlich der Nachwelt erhalten. Meistens kann man nur vermuten oder spekulieren.

Guchot

Zitat von: charangohabsburg
Zitat von: RISADie portugiesischen Seefahrer hatten weder das Know-How noch die Ausstattung Stahlsaiten herzustellen. Deshalb ist man auf Darmsaiten ausgewichen.
Das scheint mir aber doch eine verwegene Theorie zu sein: Seefahrer, welche Darmsaiten für ihre Instumente selber herstellen... Naja, möglich ist es natürlich. Es wäre interessant Quellen über saitenherstellende Seefahrer zu haben.

Wenn ich Rigk richtig vorhanden habe ging es ja darum für die auf Hawaii gefertigten Instrumente Saiten herzustellen. Das die Jungs dafür keine Ausrüstung mithatten, wäre nachvollziehbar. Für ihre eigenen Klampfen hatten die bestimmt jeder nen Satz Aquilla oder Worth mit dabei ;-)